Literatur

Der 61jährige in Südtirol geborene, in Wien und Neuss lebende Schriftsteller Oswald Egger wird in diesem Jahr mit dem Georg-Büchner-Preis ausgezeichnet.

„Mit Oswald Egger zeichnet die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung einen Schriftsteller aus, der seit seiner ersten Veröffentlichung im Jahre 1993 die Grenzen der Literaturproduktion überschreitet und erweitert“, begründet die Jury ihre Entscheidung. Der Büchner-Preis ist der renommierteste jährlich vergebene Literaturpreis für deutschsprachige Autoren. Der Preis ist mit 50.000 Euro dotiert und wird am 2. November 2024 in Darmstadt überreicht.

 

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Oswald Egger arbeite an einem Werkkontinuum, das Sprache als Bewegung, als Klang, als Textur, als Bild, als Performance begreife und sich in der Fortschreibung und Veränderung des Sprachgebrauchs entwickle, heißt es in der Jurybegründung. Und weiter: „Seine Prosagedichte und Textgewebe widersetzen sich der raschen Lektüre, laden zum assoziierenden Entschlüsseln von Bedeutungen ein und unterminieren spielerisch Erklärungssysteme, die wir zu kennen glauben. Eggers Wortkosmos fußt in der Mehrsprachigkeit und den Landschaften seiner Südtiroler Herkunft. Am Leitfaden der sinnlichen Wahrnehmung, im Gang über die Wortfelder der deutschen Sprache und ihrer Varietäten schreibt Oswald Egger die große Tradition einer Physiognomik der Naturformen fort, von den Steinen bis zu den Wolken. Die in seinem Werk enthaltene Welt entzieht sich der Verfügbarkeit, so wie seine Textlandschaften auf das Unverfügbare der Kunst verweisen.“

 

Glücklich über die Preisvergabe an Oswald Egger

Besonders glücklich ist die Stiftung Insel Hombroich über die Büchner-Preis-Verleihung an Oswald Egger. Denn der in 1963 in Südtirol geborene Autor lebt mit seiner Frau, der Künstlerin Katharina Hinsberg, seit 2004 auf der stiftungseigenen Raketenstation in der Nähe von Neuss. Hier gestaltet er u.a. für die Stiftung Insel Hombroich das Literaturprogramm. Egger hat dort Wohnrecht auf Lebenszeit. Roland Nachtigäller, Geschäftsführer der Stiftung Insel Hombroich, zur Büchner-Preisverleihung an den Schriftsteller: „Oswald Egger ist in seinem weit verzweigten Denken, seiner Poesie und seiner bildlichen Kraft einzigartig. Ich freue mich sehr, dass er auf seinem kompromisslosen Weg nun diese hohe Anerkennung erfährt, die ihm wahrlich gebührt.“

 

Mehrfach ausgezeichneter Schriftsteller

Oswald Egger wurde 1963 in Lana/Südtirol geboren. Seine Werke – Prosa und Gedichte – sind in mehrere Sprachen übersetzt und vielfach ausgezeichnet worden, u.a. mit dem Georg-Trakl-Preis für Lyrik (2017) und dem Ernst-Jandl-Preis für Lyrik (2021). Seit 2011 ist Oswald Egger Professor für „Sprache und Gestalt“ an der Muthesius Kunsthochschule in Kiel. Wie schon in seinen frühen Büchern wie "Nichts, das ist" finden sich auch in späteren Werken Skizzen, Zeichnungen oder Aquarelle, geometrische Formeln und Formen in seinen Werken. Gezeichnetes und Gekritzeltes, Textboxen und Überschriften, die auf jeder Seite des Buches zu finden sind, kennzeichnen beispielsweise „Nichts, das ist“. Die Anordnung spielt für ihn und seine Arbeit eine wichtige Rolle, denn zwischen Bild und Schrift besteht eine „Wechselrede“, so der Autor. Der Künstler setzt daher seine Texte immer selbst, bevor sie in Druck gehen.

 

„Mannigfaltigkeit der Zusammenhänge“

Alles beginnt mit dem Auftakt, mit dem ersten Schritt in der Luft. Alles ist und bleibt Auftakt, alles ist und bleibt ein erster Schritt in der Luft, ist Ereignisebene des wachsenden Textes. Ich bleibe stecken in dieser Auftaktform, mit einem Fuß in der Luft. Am liebsten würde er dort so verhangen und wie ein Harlekin Kapriolen in der Luft schlagen, im Überschlag ermessen und zuschauen, wie Zeichen zu Poesie werden. Seine Textflächen sind gedachte Schatten, die durch die Luft jagen. Egger spielt mit Zeichen und Worten, mit dem Gestischen, mit der Mannigfaltigkeit der Zusammenhänge. Wobei sich im Laufe der Jahre die Charakteristik und Funktion dieser Konfigurationen (zwischen Text und Zeichen) gewandelt hat. Der beredtere Teil sei inzwischen das Zeichen geworden, so Egger. Wenn überhaupt Handlung stattfindet, dann in diesen Zeichen. Im Text seien andere Vorgänge aufgehoben. Es sind gedachte Schatten, die durch die Luft jagen." (Quelle: #LiteraturBewegt: „Zeichen poetisieren“. Oswald Egger im Gespräch mit Ralf Simon. DLA 2022). Nicht die Texte sind Trigger für seine Zeichnungen, eher ist es umgekehrt. Nicht der Text löst bei Egger Zeichen aus, sondern die Zeichen können Text auslösen:Irgendwann werden die Zeichen geschwätzig“, sagt Oswald Egger.

 

Der Georg-Büchner-Preis wurde erstmals 1923 vergeben

Der Georg-Büchner-Preis wurde erstmals 1923, während der Weimarer Republik, vom Landtag des Volksstaates Hessen in Erinnerung an den Schriftsteller Georg Büchner gestiftet. Vergeben wurde er zunächst an Künstler, die aus Büchners Heimat Hessen stammten oder geistig mit dem Land verbunden waren. Die erste Preisvergabe erfolgte am 10. August 1923. Von 1933 bis 1944 wurde der Georg-Büchner-Preis durch einen Kulturpreis der Stadt Darmstadt ersetzt. 1951 wurde der Darmstädter Kulturpreis in einen allgemeinen Literaturpreis umgewandelt. Dieser wird seitdem jährlich von der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung verliehen, die ihren Sitz in Darmstadt hat. Die Auszeichnung geht an Autoren, die sich durch ihre Arbeit um die deutsche Literatur verdient gemacht haben. Der Preis ist mit 50.000 Euro dotiert.

 

Georg Büchner – Arzt, Dichter und Rebell

Georg Büchner, geboren am 17. Oktober 1813 in der Nähe von Darmstadt, war Arzt, Dichter, Rebell. Obwohl er nur 23 Jahre alt wurde, zählt er zu den bedeutendsten Dramatikern und Erzählern. Er hinterließ nur wenige Werke. Büchner gilt als einer der wirkmächtigsten und daher wichtigsten Vertreter des Vormärz. Er bemängelte soziale Missstände und rief seine Mitbürger zum Kampf gegen die adlige Oberschicht auf. Während des Medizinstudiums gründete er mit Kommilitonen den Gießener Ableger der geheimen „Gesellschaft der Menschenrechte“Diese Mitgliedschaft wiederum ermutigte ihn 1834 zum Verfassen und Veröffentlichen seiner Flugschrift „Der Hessische Landbote“. Nach Erscheinen des zweiten Exemplars drohte ihm allerdings die Verhaftung, er wurde landesweit gesucht. Er flüchtete daher 1835 nach Straßburg. Weil er Geld für die Flucht brauchte, schrieb er „Dantons Tod“ (1835). Weitere Werke wie „Lenz“ (1835), „Leonce und Leona“ (1836) und das unvollendete Werk „Woyzeck“ (1837) folgten. Büchner starb am 19. Februar 1837 in Zürich an Typhus. Seine Stücke sind heute noch aktuell und werden weltweit aufgeführt. Dies auch, weil seine Stücke mitten im Leben, mitten aus dem Leben sind. Das wiederum führt uns zu Oswald Egger und dessen weitaus umfangreicherem Werk.

 

An „unverwandten Ufern lagen lichtere Dinge…“

Mitten im Leben fand ich mich wieder wie in einem Wald (ohne Weg). So beginnt Oswald Egger sein Buch „Diskrete Stetigkeit“ (2008), in den Wechselwirkungen von Mathematik und Poesie bedacht werden. Zu Beginn reflektiert der Autor das allgemeine Denken über den Wald. Wann ist ein Wald ein Wald? Und ist ein Wald noch derselbe Wald, wenn Bäume gefällt werden, wenngleich eben nicht der gleiche? Ähnliche Fragen begegnen ihm auf Wiesen, Feldern, Gewässern. An unverwandten Ufern lagen lichtere Dinge, die ich nicht kannte und die sich in den glatten tiefen Wassern spiegelten, ruhig und Ungrund-voll, in Furcht vor dem Immensen, als Boschungs-schraffem Abgrund. Philosophisch-durchdacht, anschaulich und dennoch fremd, undurchdringlich und dennoch anziehend erscheinen uns Lesern diese Texte auf den ersten Blick. Ein genaues Hinsehen, ein Sich-Hineindenken in die klugen, nicht immer einfach zu verstehenden, komplexen Zusammenhänge erhellt und erweitert unser eigenes Blickfeld und Denken. Vorausgesetzt, wir lassen uns ein auf ungewohnte Wortspiele, Gedanken, Folgerungen, Zusammensetzungen und folgen Oswald Egger auf seiner poetischen Reise vom Tag in die Nacht und zurück, Lied und Licht durchwandernd.

 

Das Gedicht tut Dinge, es verstellt sie.“

Seien wir für eine Weile außer uns, als ob wir nicht existierten. Denken wir mit Oswald Egger ungebunden darüber nach, was das Wort unendlich bedeutet. Folgen wir Fragen wie War alles, was ist, verzweigt, ursachlich und wirklich? Oder (Un)Gewissheiten wie: Grenzen von Zukunft und Vergangenheit mußten identisch sein. Zeichnungen, oft mathematischer Art, ergänzen das Buch. Aussagen wie Nicht das Gedicht, das insichdichte Kontinuum war die stetige Menge aller Mängel werden optisch als ungewohnte, aber sinnvolle und schöne Art von Überschrift am Rand einzelner Buchseiten hervorgehoben. Zwischendrin lesen wir Sätze wie diese: Das Gedicht tut Dinge, es verstellt sie. Im Gehen, im Wandern entwickelt Egger seine Gedanken, die fortgeführt und weitergedacht werden, bis es nicht mehr weitergeht. Gedanken wie Der Begriff des stetigen Werdens ist inbegriffen im Gehen[…]. Dabei geht es immer um vieles, um alles, möchte man sagen. Es geht um Wörter, Melodien, Konstellationen, Gegenstände, Formen, um Mathematik und Poesie. Es geht um das Ideale und das Reale, um Ideen, Reflexionen, Erkenntnis, Vorgehensweisen, Beziehungen, um Identität, um Nähe und Gleichheit, Natur und Kultur, um das Zusammenwirken von allem, was uns Menschen angeht.

 

Oswald Egger 01

Buchumschläge, Suhrkamp Verlag

 

„Trat ich ins Wasser/ertrank ich,/trat ich ins Feuer/verbrannte ich.“

Lyrischer noch – wenn es denn überhaupt möglich ist – spricht Oswald Egger in „Die ganze Zeit“ (2010 Suhrkamp Verlag). Ein Buch, das keinem Genre zugeordnet ist. Es beginnt mit Bekenntnissen: Der Autor will sich auch noch über die Natur der Dinge der Natur erheben, stufenweise aufsteigen zu dem, der mich gemacht hat […]. Es schmerzt fast körperlich, alle folgenden sprachlich so bewundernswert schönen, im Tonfall zutiefst menschlichen und natürlichen (Pflanzen, Tiere), manchmal sogar biblisch – um nicht zu sagen: göttlich – anmutenden Ausführungen (aus Platzgründen) nicht wenigstens teilweise zitieren zu können; da bleibt nur die Empfehlung: lesen Sie (auch) dieses Buch am besten selbst! Es hat allerdings viele schöne Seiten, insgesamt 745. Nehmen Sie sich Zeit für „Die ganze Zeit“, es lohnt sich. Zumal immer wieder auch Geschichten erzählt werden, fortschreitende Geschichten, die - so scheint`s – keinen Anfang und kein Ende haben, die einfach nur sind. Fiebrig erzählt, phantastisch erdacht.

 

„Ich sprach kein Wort, war bald grün, bald rot, bald gelb gekleidet.“

Wie diamantene Splitter erscheinen mitunter seitenlang kurze sprachliche Einsprengsel, sozusagen als Zwischengedanken des Autors – Vierzeiler, von denen der Autor rund 20.000 niedergeschrieben hat – graphisch/optisch ansehnlich/hübsch auf den Buchseiten verteilt und dem Textverständnis dienend. Sie lassen sich aber auch wunderbar für sich, also einzeln lesen und gedanklich verfolgen. Das Buch „Die ganze Zeit“, das mit Bekenntnissen beginnt, endet mit Trost: Was in der Zeit lebt, das geht gegenwärtig vom Vergangnen in die Zukunft vorwärts. Und es gibt nichts in die Zeit Gestelltes, was den ganzen Raum seines Lebens in gleicher Weise umfassen könnte, sondern den morgigen hat es noch nicht erfaßt, den gestrigen aber schon verloren; auch im Heute lebt ihr nicht mehr als in jenem beweglichen und vorübergehenden Augenblick. […] An einer Stelle des Buches heißt es: Der Blick wächst ungeheuer. Wohl wahr!

 

„Ein Wurmloch zu den Wolken“

In „Euer Lenz“ (2013) machen Kapitelnamen wie „Wie heiße ich noch einmal?“ mit Untertiteln wie „Wenn ich mir einer bin“ auf sich aufmerksam und den Leser neugierig. Andere Titel wie „Ein Wurmloch zu den Wolken“ / „Grund und Grat“ weisen einmal mehr auf die unfassbar große Phantasie und Wortmacht des Dichters hin, der sich in keine sprachlichen und gedanklichen Grenzen zwingen lässt. Wieder andere Kapitelnamen wie „Ich bin ein Goethe in meiner Goede / Möchte ich ein Komet sein? Ein vorübergehender Meteor“ (hier wird am Ende kein Fragezeichen mehr gesetzt, warum auch: die Freiheit der Kunst ist grenzenlos für jemanden wie Oswald Egger). Trotzig fast – so scheint es – widersteht er in all seinen Büchern allen gängigen Vorstellungen und geläufigen Voraussetzungen. Er missachtet sämtliche Regeln, schreibt wie er will in einem, in seinem unverwechselbaren Stil. Er unterwirft sich keiner fremden Zensur. Die eigene, eigentliche Zensur ist innerhalb seiner Texte zu finden. Dem eigentlichen Text vorausgestellt sind kurze, poetisch-philosophische Sätze wie Das Wasser fließt, und das Ufer steht still. Oder/und: Über die zweiseitig flammenden Wangen ist etwas sichtbar, nicht wahr? Hier werden beim Leser eigene Gedanken geweckt, eigene Bilder entwickelt. Andere Sätze wie Mit Fühlerzangen zerkerfte Schlitz-Leiber zum Zerschneiden bleiben (zunächst?) verschlossen. Das macht nichts, denn schön sind sie trotzdem. Sogar dem Autor selbst scheint es mitunter so zu ergehen, auch er scheint mit manchen seiner ureigenen Texte zu fremdeln, auch für ihn werfen die von ihm selbst geschriebenen Worte neue, andere, weiterführende Fragen auf. Einmal heißt es hierzu: Und wenn ich denke, daß ich spreche, das genügt, dann verstehe ich dasselbe selbst ebenbildlich (unentwegt plus ununterbrochen) nicht gleich und gleich selber […]. Wie dem auch sei, es ist zweifelsohne ein nachhaltiges, nachhallendes Vergnügen, diese Kopf-Seelen-Wortgeburten zu lesen und zu verinnerlichen.

 

„Ich habe den Himmel über mir nicht, ich habe die Erde unter mir berührt.“

Zwischenüberschriften und Absätze erleichtern uns das Verständnis, das trotzdem nicht einfach zu haben ist. Folgen wir Oswald Egger ins Gebirge, wandern wir mit Linz und Lunz in „Euer Lenz“ durch den Hang, durch Stollen, durch Sprachgebirge, überwinden wir die Grenzen des Verstandes, seien wir wie ein brennendes Beil, seien wir Bestandteile des Vorübers, fürchten wir eine gewisse oder auch ungewisse Zeitlang mit ihm, wieder in den wahnlosen Zustand zu verfallen[…]. Verweilen wir eine Weile in diesem beglückenden verrückten Zustand. Folgen wir dem Autor weiter, der sagt: Ich habe aber ganz sicher den Lenz nicht geträumt, sondern das alles erlebt: […]. Und noch ein (letztes) Zitat aus diesem Buch: […]ich verfiel, gleich als ob Lenz zwei Persönlichkeiten demaskiere, bei bestimmten Gelegenheiten in vollkommene Wortverworrenheit, in scheinbar eben offener, nicht unzugänglicher Weise, aber nur, um nur den Fragenden zu beruhigen, und dabei gleichsam irregehen zu sehen. Bleiben wir so lange es geht in Gedanken bei diesem Autor, folgen wir getrost Einfall auf Einfall, denken wir mit ihm über die Diskretion der Welt nach.

 

Ein Märchenland", in dem Steine gebären

Rund 200 Prosastücken sind in Oswald Eggers Buch „Val di Non“ (2017) vereint. Auf rund zwei Dritteln jeder Seite ist das Buch mit geometrischen Zeichnungen des Autors bestückt. Es ist ein „Märchenland", in dem Steine gebären und Schnee auch mal Füße verbrühen" kann, schreibt „Die Zeit“ über dieses Buch des Büchner-Preisträgers 2024. Auch dies ist – wie alle anderen seiner Bücher auch, die ich bisher gelesen habe – ein Buch voller Lyrik, voller Natur: Es erhob sich eine gelbe Wolke, und gelber Regen fällt nieder und blieb liegen. Der Regen hat einen gelben Fisch mitgebracht, was die gelben Schäfer gesehen haben. Sie sind ohne Füße herbeigelaufen, den Fisch haben sie ohne Hände gefangen, ohne Messer aufgeschnitten, ohne Salz gesalzen, ohne Feuer gebraten, ohne Mund gegessen. Solch lyrische Sätze sind dem Buch vorangestellt. „Egger erzählt ein Tal neu, indem er dessen Klänge und Klangintervalle sowie die vielfachen Brüche in eine ›alt-neue‹ Sprache und in Bilder verwandelt“, schreibt Eleonore De Felip in dem Buch „Wort für Wort“ – Lektüren zum Werk von Oswald Egger (S. 17-58).

 

Auch das „Val die Non“, heimatliche Gegend des Schriftstellers, überzeugt durch das Atmen der Gedanken, mit denen uns Oswald Egger verwöhnt. Was ihn von vielen anderen Autoren unterscheidet, die uns von der Natur erzählen, sie beschreiben: Oswald Egger lebt nicht nur in und mit der Natur, er verschmilzt mit ihr: Drei Schritte der Tiere spring ich, vier Schritte der Vieher hüpf ich, ich schleiche, und daß die Nacht aufbricht mit dem Unglanz ihrer Zuglut, und den Himmlitzen von Strichgewittern und Spießgras. Daß und wie plötzlich etwas mich wegrückt in die Gegend. Der leere Raum dazwischen bedrückte mich schon gegenstandslos; das Gefühl, daß wie mein Kopf wegfliegt, daß ich Gefahr laufe draufzutreten: Luft war da, die Luft zwischen den Ungegenständen im Gelände, unbegrenzt, verschränkt, mir – ähnlich. Ganz abgesehen von der ihm gegebenen ureigenen Sprache, von all den wortgewaltigen Möglichkeiten, denen er wiederum seine Stimme gibt und seinen bildnerischen Fähigkeiten.

 

Oswald Egger 02

Buchumschläge, Suhrkamp Verlag

 

Ein Kunstwerk aus Sprache und Zeichen
Sein jüngstes Werk trägt den Titel „Entweder ich habe die Fahrt am Mississippi nur geträumt, oder ich träume jetzt“ (2021). Auch dieses Buch ist ein Kunstwerk aus Sprache und Zeichen, eine mitreißende Unterhaltung, ein faszinierendes Gespräch zwischen Text und Bild. Es ist ein unaufhaltsamer, unaufhaltbarer Strom von Naturbeobachtungen, Philosophie und Traumerzählung" (Neue Züricher Zeitung). Es ist eine phantastische Reise zu Orten, wo die Kronen der Bäume im Wasser baden und eine Uferwand nicht sichtbar ist. Es ist eine Reise ins Innere des Autors, ins Imaginäre, mit Wortschöpfungen, die der Natur entsprungen sein könnten.


Nicht immer kann man sicher sein: Gibt es dieses oder jenes natürliche Wort oder ist es erdacht? Oft klingt uns ein Name, eine augenscheinlich-vermeintlich erfundene Bezeichnung fremd; sie ist aber erstaunlicherweise tatsächlich richtig und real – wer hätte das gedacht. Ein kleiner, vielleicht nicht einmal gewollter Hinweis des Autors auf unsere beschämend geringen Kenntnisse der Natur.

 

„Ich bin ich, und schlafe, vielleicht nur halb.“
Und wenn ich fliege, wird die Bewegungsart keine der Vögel gewesen sein; und wenn sich die Angst verkörperte zum Alpdrücken, zum unverflochtenen Gefühl, dass ein Teufel Herz und Gekröse herausreiße oder ein flockiger Polyp daran nage, wie einer, der Äpfel und Birnen pflückt, ein feistknollig verquollener Klabauter auf der Leiter vielleicht, der wispelt dabei, so waren es doch hoffentlich nur Trugwahrnehmungen. Wenn sie so schön sind wie diese - bitte sehr und mehr davon… Eine letzte Frage, gestellt vom Autor selbst: Was wird ein Wort sein, wenn ich aufhörte, es zu verschwenden an die Verständigung? Die kurze Antwort: Ihr eigenes Zwecklos (aus: „Euer Lenz“). Ein letztes Zitat: Ich bin ich, und schlafe, vielleicht nur halb… Auch wir sind „Ich“: ein Ich, das nicht weiß, ob es/wir schlafen und träumen oder wachen und denken. Oswald Egger entwickelt literarische Vexierspiele, Verwirrspiele mit unserer Phantasie. Er tut dies auf traumwandlerisch sichere Art und Weise. Ein Georg-Büchner-Preisträger, dessen Gedankenspiele alles andere als reine Kopfgeburten sind, ist mit dem größten deutschen Literaturpreis ausgezeichnet worden. Diese Ehrung hätte auch dem Namensgeber gefallen.


Deutsche Akademie für Dichtung und Sprache – Georg-Büchner-Preis 2024

 

- Weitere Informationen (Deutsche Akademie)

- Weitere Informationen (BüchnerPortal)

 

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#LiteraturBewegt, „Zeichen poetisieren (1:09:40 Min.)


Wort für Wort – Lektüren zum Werk von Oswald Egger

Revolutionär und Dichter

 

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