In Brasilien und Sibirien brennen die Wälder. Ebenso in Australien, Afrika und Indonesien. Die Website Global Forest Watch Fires hat rund 750.000 Brandherde weltweit ausgemacht. Aktuell, wohlgemerkt!
Seit Anfang des Jahres sind es bereits 16 Millionen! Es wird also nicht mehr lange dauern, bis die Installation „For Forest“, die am 8. September 2019 im Wörthersee Stadion in Klagenfurt/Kärnten eröffnet, kein spektakuläres Kunstprojekt mehr sein wird, sondern trauriger Alltag: Ein Wald als Ausstellungsstück. Bitte nicht berühren, nur ansehen – und einmal tief Luft holen.
Als der Schweizer Klaus Littmann, Ausstellungsmacher und Spezialist für öffentliche Kunstprojekte weltweit, in einer Galerie die Bleistiftzeichnung mit dem Titel „Die ungebrochene Anziehungskraft der Natur“ entdeckte, war er auf Anhieb fasziniert. Max Peintner hatte 1970/71 ein Zukunftsbild entworfen, wie man es sich kaum pessimistischer denken kann: Beton, soweit das Auge reicht, Frankfurts Stadtsilhouette hoch drei, und mitten drin ein riesiges Stadion voller Menschen, die gebannt auf einen Wald im zentralen Spielfeld schauen. Dieses Bild ließ Littmann einfach nicht mehr los. Da er mit Verpackungskünstler Christo befreundet und mit dessen Großprojekten bestens vertraut ist, kam ihm sofort die Idee, Peintners Vision zu realisieren, den Wald im Fußballstadion Wirklichkeit werden zu lassen. Der österreichische Künstler und Architekt, heute 82 Jahre alt, glaubte zwar nicht im Traum daran, dass Littmann es schafft, doch er gab dem begeisterten jungen Mann seinen Segen.
Mehr als drei Jahrzehnte sind seitdem vergangen. 30 Jahre, in denen Klaus Littmann weltweit immer wieder Ausschau nach einem geeigneten Stadion hielt. Und immer wieder an den wirtschaftlichen Bedingungen verzweifelte. Ausgerechnet in Klagenfurt, dieser kleinen Kärntner Stadt, die man im kulturellen Kontext bislang nur durch die Vergabe des Ingeborg-Bachmann-Preises kennt, wurde er schließlich fündig. Erbaut für die in Österreich und der Schweiz ausgetragenen Europameisterschaft 2008, wird das 30.000 Plätze umfassende Wörthersee Stadion seitdem nur wenig genutzt. Ein Glücksfall für die Kunst! Doch ein wenig ausgelastetes Fußballstadion allein ist noch kein Erfolgsgarant. Stadt und Land müssen auch zustimmen. Die Chancen dieses Projektes erkennen und bei der Umsetzung helfen. Mehr als fünf Jahre lang, so erzählt der Ausstellungsmacher, habe er „dicke Bretter gebohrt“, sei 45 Mal von Basel nach Klagenfurt gereist, um die verantwortlichen Politiker von dem Mammutprojekt zu überzeugen. Die Zeit spielte für ihn. Während in den 90er und 2000er-Jahren kaum noch vom Waldsterben die Rede war, ist Umweltschutz und Verlust unserer Lebensgrundlagen nun wieder im Wortsinn brandaktuell. Angesichts der gigantischen Flammenmeere, die den Waldbestand weltweit dramatisch vernichten, ist die Vorstellung eines Stücks Natur in einem geschützten Raum – gleich einer aussterbenden Tierart im Zoo – gar nicht mehr so abwegig. Auch nicht im bewaldeten Österreich. Dennoch gab und gibt es in Kärnten Proteste, vor allem von Seiten der FPÖ. „Verschwendung von Steuergeldern“ lautet der Vorwurf der rechten Stimmungsmacher, tatsächlich aber ist „For Forest“ hundertprozentig privat finanziert, über Gönner und Sachleistungen, aber auch über „Baumpatenschaften“ à 5.000 Euro, für die die Paten ein von Klaus Littmann handkoloriertes Exemplar der Peintner-Zeichnung „die ungebrochene Anziehungskraft der Natur“ erhalten. Eine überraschend große Spende erhielt Littmann auch von Schweizer Mäzenen, denen es „völlig egal war, wo Projekt realisiert wird. Hauptsache es wird realisiert“ (Littmann).
Und das wird es nun in der Tat: 299 Bäume nach Vorbild eines ausgewachsenen Kärntner Mischwaldes hat der Schweizer Landschaftsarchitekt und Bäume-Sammler Enzo Enea für „For Forest“ ausgewählt. Bäume, die speziell auf das Verpflanzen vorbereitet sind, da sie in den Baumschulen alle vier bis fünf Jahre verschult wurden. Vom Feldahorn über die Lärche und Hainbuche bis zur Silberlinde und Zitterpappel werden 16 Baumarten im Wörthersee Stadion zu sehen sein, die nach dem 27. Oktober auf ein stadtnahes Gelände verpflanzt werden, diesmal definitiv. So soll die temporäre Installation, das größte Kunstprojekt im öffentlichen Raum, das Österreich jemals gesehen hat, als Waldskulptur in Erinnerung bleiben.
Keine Frage: Mit „For Forest“ im September/ Oktober 2019 ist Klaus Littmann eine „Punktlandung“ gelungen. Gerade ist Greta Thunberg nach 14tägigem Atlantik-Törn in New York angekommen. In den nächsten Wochen wird sie bei der großen Klimakonferenz der Vereinten Nationen teilnehmen. Die verheerenden Waldbrände werden zur Sprache kommen – und das Bild des Waldes im Wörthersee Stadion wird durch die Medien gehen. Als eindringliche Warnung an die Welt.
„For Forest“
Wörthersee Stadion, Klagenfurt/ÖsterreichEröffnung 8. September 2019
Ausstellungsdauer bis 27. Oktober 2019
Geöffnet täglich 10-22 Uhr, Eintritt frei.
- Weitere Informationen
- Über das Projekt (PDF)
YouTube-Video:
For Forest – Adopt a Tree
Abbildungsnachweis:
Header: Max Peintner, „Die ungebrochene Anziehungskraft der Natur", (Detail) Bleistiftzeichnung 1970/71, handkoloriert von Klaus Littmann 2018, Unikat in Serie
Galerie:
01. Max Peintner und Klaus Littmann (v.l.n.r.). Foto: © Gerhard Maurer
02. Modell For Forest „Die ungebrochene Anziehungskraft der Natur“, Maßstab 1:333/3. Foto: © Johannes Puch
03. Klaus Littmann. Foto: © Emmanuel Fradin
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