Kunsthandwerk, Grafik & Design

Handgewebte Handtücher neben Landschaftsradierungen, Schmuck und Tafelgerät neben Gemälden und Skulpturen. Nirgendwo sonst findet man angewandte und freie Kunst so selbstverständlich vereint, wie bei „KUNST SCHAFFEN“, der einzigartigen Messe, die im Flensburger Yachting Heritage Centre von Robbe & Berking nun schon zum zweiten Mal stattfindet.

„KUNST SCHAFFEN“ hatten sich Esther und Oliver Berking eigentlich als einmalige Aktion gedacht. Entwickelt und realisiert im vergangenen Frühjahr aus dem Impuls heraus, „die Produktion von Kunst auch unter Corona-Bedingungen zu ermöglichen“, wie Oliver Berking sagt, und natürlich auch, um mit Künstlerinnen und Künstlern aller Disziplinen wieder ins Gespräch zu kommen. Rund 60 Künstler*innen folgten damals der Einladung und verlegten ihre Ateliers kurzentschlossen in die gläsernen Werfthallen.


Wohl niemand hätte sich Mai 2020 ausmalen können (und wollen), dass die Gesellschaft ein Jahr später immer noch im Krisenmodus läuft. Vor allem: Dass die Existenz der freischaffenden Künstler*innen nach zwölfmonatigen „Dauer-Wellen“ und ständigem Hin- und Her von Lockdowns und Lockerungen bedrohter ist als je zuvor.

 

Keine Frage für das Unternehmerpaar also, das zweite große „Kunst Schaffen“ auf die Beine zu stellen, obwohl es für alle Beteiligten ein „enormer Kraftakt war“, wie Esther Berking unumwunden zugibt. Schließlich galt es 1800 Quadratmeter Ausstellungsfläche, auf der normalerweise die Yachtsportgeschichte gezeigt wird, für die Kunst freizuräumen.

 

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Nach rund 60 Künstler*innen aus Hamburg und Schleswig-Holstein im vergangenen Jahr ist die Zahl nun auf fast 80 Teilnehmer*innen gestiegen und mit Beteiligungen aus ganz Deutschland, sowie Dänemark und England deutlich nationaler, sogar ein wenig international ausgerichtet. Sicher auch ein Verdienst von Kurator Thomas Gädeke, dem ehemals langjährigen Leiter der grafischen Sammlung Schloss Gottorf und kommissarischem Direktor des Landesmuseums 2011-2013.

 

So sind neben etlichen Norddeutschen Realisten, da wären Friedel Anderson, Frauke Gloyer, Mathias Meinel und Nikolaus Störtenbecker (er war schon im vergangenen Jahr dabei), diesmal auch Arbeiten von Klaus Fußmann, Friedemann Hahn und Wolfgang Werkmeister zu sehen. Von Künstlern also, die weit über Landesgrenzen bekannt sind. Während die meisten Gemälde im Kunterbunt der riesigen Werfthallen jedoch um Aufmerksamkeit kämpfen müssen, sind die monumentalen, abstrakt-kubischen Bronze- und Stahl-Plastiken des Bildhauers Jörg Blickat für die Hallen wie geschaffen. Seine Arbeiten gehören zweifellos zu den Highlights der Messe 2021. Publikumslieblinge allerdings dürften die lebensgroßen, teils humoristisch angelegten Holzfiguren von Clemens Heinl sein, einem Bildhauer aus Schwabach, der Stephan Balkenhol nachzueifern scheint.

 

Aber auch unter den lokalen Künstler*innen gibt es spannende Entdeckungen zu machen. Die zarten Radierungen von Augustin Martin Noffke gehören dazu, die filigranen, an Giacometti erinnernden Drahtfiguren auf Buchstelen von Wübke Rohlfs Grigull oder die Lampen- und Wandobjekte von Astrid Schessner, Leiterin der Holzwerkstatt der Muthesius Kunsthochschule in Kiel.


Überhaupt ist der Übergang von „frei“ zu „angewandt“ fließend. Beispiele dafür sind die delikaten japanischen Schriftkunstwerke von Hanako C. Hahne oder die Konzeptarbeiten von Tina Schwichtenberg und Lena Kaapke. Beide arbeiten mit alltäglichen Gebrauchsgegenständen als Metaphern für gesellschaftspolitische Aussagen. So hat die Kielerin Lena Kaapke eine höchst eindrucksvolle Bodeninstallation realisiert, in der 1500 gleichgroße, selbstgedrehte Keramikschälchen die Bevölkerungsdichte sämtlicher Länder dieser Erde visualisieren.

 

Die angewandte Kunst ist, dafür bürgt schon der Name Robbe & Berking, durch die Bank Spitzenklasse - egal ob im Schmuck, in den Sparten Keramik, Papier, Tafelsilber, Textil oder Tischlerhandwerk. Die Verbindung zu den Berufsverbänden in Hamburg und Schleswig-Holstein ist traditionell eng, dementsprechend stark sind Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft des Kunsthandwerks Hamburg (AdK) und des Berufsverbands angewandte Kunst Schleswig-Holstein (BAK-SH) auf dieser Messe vertreten. Eine gemeinsame Vitrine von Gerda und Wilfried Moll erinnert an den fantastischen Silberschmied, der im vergangenen Jahr noch selbst in Flensburg ausgestellt hatte und kurz danach, am 9. Juni 2020 im Alter von 80 Jahren völlig überraschend starb. Nun thront eine seiner wunderschönen silbernen Teekannen über dem kongenialen Schmuck seiner Frau. Gleich daneben ist das streng geometrische Tafelgerät von Claudia Christl zu sehen, nicht zu vergessen die international ausgezeichneten und weltweit gesammelten Werke von Ula und Martin Kaufmann, die im Eingangsbereich ihresgleichen suchen. Im Bereich Buch und Papier hat Caroline Satzwedel einen starken Auftritt, im Bereich Textil die Weberei Hamburg (Natalia Möller-Pongis und Andreas Möller), im Bereich Holz stechen der minimalistische Schreibtisch von Ragna Gutschow heraus, die Holzdosen von Richard Schillings und die meisterhaften Bretter in Hirnholztechnik des Bremer Tischlers Hubert Steffe.

 

Was für hervorragende Keramiker Norddeutschland hervorgebracht hat, beweisen die Präsentationen von Karin Bablok, Inke und Uwe Lerch, Eva Koj, Gundula Sommerer, Roswitha Winde-Pauls. Und hier lassen sich auch noch vielfach erlesene Stücke für den kleinen Geldbeutel finden. Denn auch das ist wichtig: Diese Messe ist eine Verkaufsmesse und soll dazu beitragen, das die Künstler in dieser schwierigen Zeit finanziell über die Runden kommen.

Also: Auf nach Flensburg! KUNST SCHAFFEN hat das Zeug, eine Institution zu werden. Vielleicht ist sie das ja auch schon.


Kunst Schaffen

Zu sehen bis 30 Mai 2021,
im Yachting Heritage Centre, Harniskai 13, 24 937 Flensburg, Di-So 11 – 18 Uhr, Eintritt 4 Euro.

 

Derzeit müssen alle Besucher*innen einen negativen Corona-Test, der nicht älter als 24 Stunden ist, vorweisen. Eine kostenfreie Corona-Teststation steht direkt vor dem Eingang.

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