Mathieu Kleyebe Abonnenc verschränkt in seinen Arbeiten persönliche Geschichte mit der kollektiven Geschichte der Guayana-Region, die tief in den Wäldern des Amazonasbeckens verwurzelt ist. Er behandelt diese Landschaft wie ein Archiv, das von Erschließung, Ausbeutung, Brüchen und Verlust gekennzeichnet ist.
Seit vielen Jahren beschäftigt sich Abonnenc intensiv mit der Literatur des guayanischen Autors Wilson Harris (1921–2018), durch dessen ökologische und dekoloniale Vision die Werke der Ausstellung erweitert und neu komponiert werden. In seinen Schriften geht Harris unter anderem von einer indigenen Kosmologie aus, die auf der Verbundenheit aller Wesen, Orte und Zeiten beruht.
Die Ausstellung wurde in Zusammenarbeit mit Lea Altner, Inka Gressel und Susanne Weiß entwickelt.
Die raumgreifende Installation „An Outpost of Progress" (2008/2022) verweist auf die uralte landwirtschaftliche Technik der Brandrodung, bei der kleine Waldstücke abgebrannt werden, um den Boden fruchtbar zu machen und die Anpflanzung von Feldfrüchten wie Maniok zu ermöglichen. In der Ausstellung bildet diese großflächige Bodeninstallation aus angeflammten Holz die Grundlage für ein komplexes Geflecht aus Forschung, Fakten, Erzählung und sinnlicher Erfahrung, das darauf abzielt, den Raum des kolonialen Traumas produktiv zu besetzen und zu bewohnen.
Mit dem Film „The Night Readers" (2018) greift Mathieu Kleyebe Abonnenc den Bürgerkrieg in Suriname auf, in dem von 1986 bis 1992 im Gebiet des Maroni Regierungstruppen gegen Maroons kämpften. Anhand von Archivmaterial des französischen öffentlich-rechtlichen Rundfunks RFO Guyane erzählt der Film von den Zusammenstößen zwischen den Truppen des surinamischen Diktators Dési Bouterse und dem Dschungelkommando seines ehemaligen Leibwächters Ronnie Brunswijk. Die filmische Collage berichtet auch von den materiellen und menschlichen Verwüstungen, unter denen die Zivilbevölkerung zu leiden hatte, sowie von der unvollständigen Darstellung des Konflikts im französischen Fernsehen.
„Wacapou, a Prologue or A Room in my Mother’s house" (2018) ist enger mit dem Leben des Künstlers verbunden und zeigt eine andere Geschichte des Maroni und der Gemeinschaften. Das kleine Dorf Wacapou liegt am rechten Ufer des Flusses Litani, der wenig später in den Maroni mündet. Beide Flüsse bilden die natürliche Grenze zwischen Französisch-Guayana und Suriname. 1984 kaufte Abonnencs Mutter ein kleines Haus in Wacapou. Nach dem Ausbruch des Bürgerkriegs in Suriname wurde es für sie immer schwieriger, dorthin zu gelangen. Der Film ist eine Einführung in Abonnencs fortlaufendes Projekt zur Geschichte des oberen Maroni, der kreolischen Goldgräber und der Umweltauswirkungen der Wirtschaft nach der Sklaverei.
The Day Reader ist der zweite Teil des Ausstellungszyklus „Gods Moving in Places", der mit einer von Abonnenc kuratierten Gruppenausstellung begann.
Der Künstler, Forscher und Kurator Mathieu Kleyebe Abonnenc (geb. 1977 in Französisch-Guayana, lebt und arbeitet in Sète, Frankreich) widmet sich in seiner Praxis der Erforschung von Themen, die von der kolonialen und postkolonialen Geschichte vernachlässigt wurden. Seine Werke werden international ausgestellt, zu seinen jüngsten Einzelausstellungen gehören: „The Music of Living Landscapes", Kestner Gesellschaft, Hannover (DE, 2022), „The Palace of the Peacock", Musée dart contemporain de la Haute-Vienne – Château de Rochechouart (FR, 2018), „Concerning Solitude", Fundación Jumex, Mexico City (MX, 2018), „Maintaining the Distance", Guyane Art Factory – Maison Henri et Marcelle Prévot, Cayenne (FG, 2017), und „Mefloquine Dreams", MMK Frankfurt (DE, 2016). Von 2016 bis 2017 war er Fellow an der Académie de France à Rome – Villa Medici (IT) und 2019 Gast des Berliner Künstlerprogramms des DAAD (DE). Abonnenc ist Doktorand an der École Doctorale Esthétique, Sciences et Technologies des Arts (EDESTA) an der Université Paris 8 (FR).
Mathieu Kleyebe Abonnenc:
„Gods Moving in Places. The Day Reader“Zweiter Teil des Ausstellungszyklus in der ifa-Galerie Berlin
25. März – 12. Juni 2022
Eröffnung: Donnerstag 24. März 2022, 17.00 – 22.00
ifa-Galerie Berlin, Linienstraße 139/140, 10115 Berlin
Dienstag – Sonntag 14.00 – 18.00
Donnerstag 14.00 – 20.00
Sonderöffnungszeiten Gallery Weekend Berlin
Fr. 29.04., 12.00 – 21.00
Sa. – So. 30.04., 01.05., 12.00 – 19.00
Parallel
Die Ausstellung von „Mathieu Kleyebe Abonnenc. The Music of Living Landscapes" ist noch bis zum 22. Mai 2022 in der Kestner Gesellschaft in Hannover zu sehen.
Quelle: ifa – Institut für Auslandsbeziehungen
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