Es sind von Deutschland aus gerade einmal 1.200 km Entfernung: Bosnien-Herzegowina. Dorther kommt das Quintett Divanhana.
In ihrer Heimat spielt die Band schon seit mehr als zehn Jahren vor ausverkauften Häusern. Höchste Zeit, dass das Ensemble auch im deutschsprachigen Raum im Feld der Weltmusik-Fans neue Interessierte findet.
Die Band legt ihren Fokus auf die Pflege und Präsentation nicht nur der traditionellen urbanen Musik Bosnien-Herzegowinas, sondern auch der traditionellen Musik anderer Balkanländer, mit besonderem Bezug auf die Sevdalinka (der aus dem 16. Jahrhundert stammenden, ursprünglich städtischen Liebeslyrik in Bosnien und Herzegowina). Der Begriff geht übrigens auf das türkische Wort für Liebe „Sevda“ zurück. Oft ist die Stimmung melancholisch: Kein Wunder, wenn man von unerwiderter Liebe singt! Die Sevdalinka gilt als wichtiges Element der bosnischen Kultur. Der Stil erinnert blass an die portugiesische „Saudade“ (Sehnsucht) und den „Fado“ (Schicksal) sowie dem Südstaaten-„Blues“ (Melancholie, Betrübnis).
„Zavrzlama“ ist bereits das sechste Album, aber das erste, auf dem Eigenkompositionen der Musiker zu hören sind. Von den elf Stücken stammen zwei aus der Feder von Divanhana-Keyboarder Neven Tunjic.
Auf diesem Album ist deutlich zu erahnen, wie die Band bei Live-Auftritten sein muss: eine temperamentvolle, lebensfrohe und gleichzeitig melancholische, sinnliche Naturgewalt. Die Rhythmen sind überwiegend rasch, tanzbar, teilweise folkloristisch. Kleine Sound-Anleihen sind dem südamerikanischen Tango entliehen.
Die Covid-Pandemie und die Lockdowns haben das Quintett jedenfalls produktiv genutzt, um das neue Album zu kreieren. Zwar leben alle MusikerInnen und der Tonmeister in verschiedenen Städten, aber das teilweise mit dem Smartphone aufgenommene Material wurde im Hexagon herumgesandt und mit recht bescheidenen Mitteln entstand ein wirklich gutes Album, das Okzident und Orient musikalisch miteinander verbindet.
Der eindringlich-reduzierte Album-Opener „Na Kuslatu Se Mahrama Vihori“ hält gekonnt die Balance zwischen Intimität und latenter Bedrohung. Das lebhafte „Cilim“ lädt dagegen zum Tanzen ein, während sich „Peno“ vor dem legendären Roma-Sänger und Songwriter Saban Bajramovic verbeugt, einem der „wildesten Talente“ im Jugoslawien der Tito-Ära. „Opa Opa“ dagegen, aus der Feder des bekannten serbischen Komponisten Radivoje Radivojevic, lebt ganz von der verführerischen Stimme Šejla Grgićs und überrascht mit Latin-Piano- und Hornklängen. „Voce Rodilo“ und „Zova“ wurden beide von Neven Tunjic geschrieben, der damit als einer der jungen Songwriter eine gute Visitenkarte abgibt und sich in die Reihe der langen Tradition der Folkmusik-KomponistInnen vom Balkan einreiht.
Divanhana: Zavrzlama
Šejla Grgić (vocal) | Neven Tunjić (piano) | Nedžad Mušović (acceodion) | Azur Hajdarević (double bass) | Irfan Tahirović (percussion)
Gäste: Rok Nemanjič (trumpet) | Goran Gojčevski (flute) | Ivan Bobinac and Iwan Josipović (tambourine)
CLP Music / Broken Silence
CD
EAN: 4251329500382
VÖ: 28.01.2022
Weitere Informationen (Homepage Divanhana, engl.)
Weitere Informationen (CLP)
YouTube-Videos:
- Divanhana – Oj, curice (on Socerb Castle, 1:38min.)
- Divanhana - Emina (Live Quarantine Version 2020, 6:40min.)
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