Außergewöhnlich, transkulturell und verbindend – auf eine Weise, die man in dieser Kombination äußerst selten findet: Die in Tschechien geborene Musikerin Barbora Xu studierte in Taiwan und Finnland. Alle drei – vermeintlich exotische – allgemein kulturelle und speziell musikalische Einflüsse hat sie miteinander verwoben und diese auf eine Art, die wie natürlich, gelernt und selbstverständlich miteinander bei ihr harmonieren.
Diese Brücke zwischen Ost und West schlägt Barbora Xu auf ihrem Debütalbum „Olin Ennen“ (finnisch; zu deutsch: „Ich war früher einmal“).
Darüber hinaus gibt es weitere Brücken zwischen den Zeiten, denn die Künstlerin knüpft auch an jahrtausendealte Traditionen und Liedgut an und bringt sie in einem neuen Gewand ins Heute. Und schließlich spielt die Künstlerin die Guzheng sowie die Guqin, dreijahrtausende existierende chinesische Zither-Instrumente, die für die einzigartigen oft tonziehende Klänge der gebogenen Saiten berühmt sind. Hinzu kommt die finnische Kantele, eine Kastenzither, die im finno-ugrischen Raum gespielt wird und das Nationalfolkinstrument Finnlands ist.
Dies alles sind sehr unbekannte und unerwartete Verbindungen und Kombinationen.
Die Beziehung zur Natur spielt bei der heute auf einer finnischen Insel lebenden Künstlerin eine zentrale Rolle. Was ihr wichtig ist: In der Symbolik von fließendem Wasser und wilden vorüberfliegenden Vögeln haben sowohl Chinesen als auch Finnen gleichermaßen schon vor hunderten von Jahren ihre Traditionen übermittelt, die dann von Generation zu Generation weitergegeben wurden. Heute existieren leider nur noch kleine Fragmente dieser uralten Texte, der Lyrik und Lieder. Die sie begleitenden Melodien und Klänge konnten zum allergrößten Teil nicht überliefert werden.
„Neben alten Traditionen ist für das Verhältnis von Menschen zur Natur ein wichtiges Element beim Musikmachen. Da ich im Wald lebe, ist die Natur ein großer Teil meines Lebens und meiner Inspiration. Darüber hinaus beziehen sich viele traditionelle Gedichte auf die Natur, auch die meisten Texte, die ich verwende, sind naturbezogen“, erläutert die Musikerin. Dabei ist ihr Leben gar nicht so abgeschieden, wie es das Zitat vermittelt. Sie ist sozial und gesellschaftlich engagiert: Umweltthemen und allgemeines gesellschaftliches Wohlbefinden stehen im Zentrum, wenn sie kulturelle Veranstaltungen organisiert oder sich bei verschiedenen ökologischen Projekten in Europa beteiligt.
Die von Barbora Xu gesungene Poesie und lyrischen Texte versteht sie sehr ausdrucksvoll und nuanciert darzubringen, egal in welcher Sprache sie diese vorträgt. Durch den bewussten Einsatz der teilweise zurückgenommenen Stimme kreiert sie einen sehr eigenen mystischen Klangraum. Ihr Gesang wird jeweils angepasstes und in individuell erzählerisches Element. Mal tänzelt sie mit ihrer Stimme, mal gleitet – mal erzählt sie; spricht, singt, hüpft fröhlich und unbeschwert oder schwebt melancholisch nachdenklich dahin.
Trotz aller Tradition behält sich die Künstlerin bei vielen Stücken einen interpretatorischen Freiraum, in dem sie improvisieren kann.
Die Verbindung von europäischen und asiatischen Hörgewohnheiten stehen gleichberechtig nebeneinander. Disharmonien und Harmonien, Tonfolgen, Klangvolumina, Schlagen, Streichen, Zupfen, Ziehen – das Handwerkszeug kennt viele Variationen. Basslinien schwingen kontemplativ atmosphärisch, wirken zeitgenössisch elektronisch und werden von schneller Melodiefolge abgelöst.
Entlassen wird man aus dem Album mit Vogelgezwitscher und einer sich langsam, ruhig und unscheinbar einwickelnden Improvisation, die sich rhythmisch regelrecht hingibt und behutsam ausklingt. Innere Ruhe kehrt ein.
Barbora Xu: Olin Ennen
Label: Nordic Notes / Worldmusic
CD
EAN: 4251329501624
VÖ: 01.10.2021
Weitere Informationen (Homepage Nordic Notes)
Weitere Informationen (Homepage Barbora Xu)
YouTube-Video:
- Barbora Xu - Olin Ennen Otramaana (3:39)
Dieses Lied wurde für das Gedicht „Olin ennen otramaana“ komponiert, das in der Sammlung traditioneller finnischer Gedichte „Alku-Kanteletar“ enthalten ist.
Alku-Kanteletar, I., Nr.12, S.4.; orig.nr.: II, 234.
- Olin Ennen Otramaana live in the Sibelius Museum, Turku (2:38)
Abbildungsnachweis:
- Vorder- und Rückseite einer Guqin. Fotos: Bero/Charlie Huang. Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported.
- CD-Cover
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