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Die Geschichte der jüdischen Bevölkerung Hamburgs geht bis in das 15. Jahrhundert zurück. Vor über fünfhundert Jahren begann der Exodus spanischer und portugiesischer Juden von der Iberischen Halbinsel. Das Alhambra-Edikt vom März 1492, erlassen vom spanischen Königspaar Isabella von Kastilien und Ferdinand von Aragonien, stellte die Juden vor die Alternative: Entweder zum Katholizismus konvertieren oder das Land verlassen. Nicht anders erging es den portugiesischen Juden nach der Heirat Manuel I. von Portugal mit der spanischen Königstocher Elisabeth ein paar Jahre später. In den folgenden Jahrzehnten begann eine beispiellose Verfolgungsjagd und eine Migrationswelle spanischer und portugiesischer Juden. Wie viele konvertierten, ist historisch nicht belegt, aber mehr als 100.000 Iberische Juden dürften schätzungsweise ihre Heimat verlassen haben und emigrierten in den Mittelmeerraum nach Nordafrika, Italien, Griechenland, auf den Balkan und die Levante und sowie gen Norden, in die Niederlande, auf die britischen Inseln oder eben auch nach Altona.

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Nicht im streng protestantischen Hamburg ließen sich die Sepharden, spanische und portugiesische Juden nieder, sondern im liberalen und religiös-toleranten Altona, das damals noch zum Gebiet der Grafen von Schauenburg und ab 1640 zum Königreich Dänemark gehörte. Im Mai 1611 erwarben sephardische Juden vom Grafen Ernst III. von Holstein-Schaumburg und Sterneberg ein als Friedhof zu nutzendes Gelände an der heutigen Königstraße in Hamburg-Altona. Viele einst zwangskonvertierte und als „Kryptojuden“ lebende Neuchristen kehrten zum jüdischen Glauben zurück, was sich auf dem Altonaer Friedhof in einer einzigartigen Begräbniskultur widerspiegelt. (Anm. der Red.: Als Kryptojuden (engl. Crypto-Jews) werden gelegentlich Konvertiten – vom Judentum zu einer anderen Religion – und deren Nachkommen bezeichnet, die entgegen ihrer öffentlichen Religionszugehörigkeit sich weiterhin der alten Religion verbunden fühlen und im Geheimen jüdische Kultur und Religion praktizieren. Quelle Wikipedia.)

Jahre später legten aschkenasische Juden – Juden aus Mittel- und Osteuropa, die ab 1648 vor den Pogromen im russischen Zarenreich flohen – an der Königstraße ebenfalls einen Begräbnisplatz an. Der knapp zwei Hektar große Friedhof bestand bis zu seiner Schließung im Jahr 1869 aus zwei getrennten Bereichen, den sephardischen und aschkenasischen Begräbnisstätten. Es waren vor allen Dingen Sephardim, Kaufleute, Makler, Reeder, Bankiers, welche im 17. Jahrhundert mit ihren weitverzweigten Handelsbeziehungen den Überseehandel in die Neue Welt und die Karibik ausweiteten. Der Handel mit Sklaven, mit Silber, Zucker und Gewürzen, mit Branntwein und Tabak brachte der jüdischen Kaufmannselite Wohlstand und Reichtum. Dazu gehörten unter anderen die Kryptojuden Diego Gomes, Zuckerimporteur, der Gewürzhändler Ferdinand Dias sowie der Kaufmann Emanuel Alvares und der Makler Adrian Gonzalves.

Gleichwohl unterschieden sich Sephardim und Aschkenasim nicht nur in der Sprache, sondern auch in ihrer Kultur, ihren religiösen Riten und Traditionen sowie der Grabkultur. So verweisen sephardische Grabsteine mit ihrem Bilderreichtum auf jüdische Überlieferungen, auf die griechisch-römische Antike und die christliche Ikonographie. Portugiesen sprachen und schrieben in ihrer Heimatsprache, nutzten jedoch als Umgangssprache das Hamburger Platt. Die Sprache der Aschkenasim war dagegen Jiddisch; ihre Texte, auch die Grabinschriften, verfassten sie in hebräischer Schrift. In Hamburg waren zu dieser Zeit mehr als drei Prozent der Bevölkerung Juden, in der Mehrzahl sephardische Juden, gefolgt von Aschkenasim.

Der Friedhof Altona gilt als der älteste jüdische Friedhof in Hamburg und der älteste portugiesisch-jüdische Friedhof im Norden Europas. Wegen seiner einzigartigen Grabmäler ist er ein wichtiges Zeitdokument jüdischer Friedhofskultur. Bereits 1960 wurde die Begräbnisstätte unter Denkmalschutz gestellt. Im Dezember des letzten Jahres hat der Hamburger Senat beim UNESCO-Welterbezentrum in Paris einen Antrag auf Anerkennung des Friedhofes als Weltkulturerbe eingereicht.

Das von einem Zaun umschlossene Gelände liegt zwischen Louise-Schroeder-Straße und Königstraße, nördlich der ehemaligen Altstadt von Altona. Im Eingangsbereich des Friedhofsgeländes erbaute die Stiftung Denkmalpflege Hamburg ein gläsernes Besucherzentrum, das Eduard Duckesz-Haus. Von hier startet der Rundgang über den Friedhof, der mit seinen bemoosten und verwitterten Steinen, der verwilderten Vegetation auf den ersten Blick einen verwahrlosten Eindruck macht. Der Eindruck täuscht, denn ein jüdischer Friedhof soll die Vergänglichkeit des Menschen symbolisieren, daher lässt man der Natur freien Lauf. Hinzu kommt das rituelle Verbot der Grabpflege: Die Bepflanzung eines Grabes ist verboten. Nur von allein ausgesäte Pflanzen, Sträucher und Bäume werden geduldet, können aber gestutzt werden. Die Gräber sind Richtung Jerusalem und dem Tempel Salomon ausgerichtet. Viele Steine haben keinen Sockel; sie sinken in die Erde, neigen sich oder stürzen um. Die Grabsteine werden nicht wieder aufgerichtet, da sonst die Totenruhe gestört wird. Jüdische Gräber haben Bestand bis in die Ewigkeit. Sie dürfen niemals eingeebnet werden, um einer erneuten Grablegung Platz zu machen. Zum Gedenken an den Verstorbenen wird kein Blumenschmuck niedergelegt, stattdessen legt man Steinchen auf den Grabstein, um die Erinnerung an den Verstorbenen zu bewahren.
Erhalten haben sich rund 6000 aschkenasische und etwa 1600 sephardische Grabsteine, deren Restaurierung dem Hamburger Denkmalschutzamt obliegt. Im spanisch-portugiesischen Areal bestehen die Gräber - der sephardischen Tradition entsprechend – ausliegenden Grabplatten, aus Sarkophag-ähnlichen oder lang gezogenen zeltartigen Blöcken. Da die jüdische Religion figürliche Dekore und Bilder verbietet, schmücken architektonische, pflanzliche und symbolische Bildmotive die Steine aus Sand- und Kalkstein, aus Gabbro, Basalt und carrarischem Marmor: Voluten, Ranken und Blumen, Rosetten, Perlstäbe, Lebensbaum und Palmzweige. Daneben Totenschädel und Knochen, Stundenglas, Engel- und Fledermausflügel als Memento-Mori-Symbole sowie Familienwappen, die auf den Namen des Toten Bezug nehmen. Inschriften in portugiesischer, spanischer aber auch hebräischer Sprache, verweisen auf dessen soziale Stellung und seine Erfolge im Leben. Neben Rabbinern und Gelehrten, haben in Altona der Arzt Rodrigo de Castro, Leibarzt von Christian IV., König von Dänemark und Norwegen, sowie die portugiesischen Kaufleute Abraham Senior Teixeira und Jacob Curiel ihre letzte Ruhe gefunden.

Im aschkenasischen Teil dominieren sogenannte sumerische Stelen aus Sandstein, aufrechtstehende, rechteckige Steine mit halbkreisförmigem oder spitzem Abschluss. Die seitlichen Rahmen können mit Pilaster oder Säulen dekoriert sein; die Bogenfelder schmücken symbolische Ornamente, wie Kronen und segnende Hände, eine Hand mit Feder und Buch, die Kanne der Leviten, der siebenarmige Leuchter Menora oder der Davidstern, welche auf den sozialen Status des Verstorbenen hinweisen. Die hebräischen Grabinschriften auf der Vorderseite des Steines - erst ab den 1830er-Jahren sind auch die Rückseiten mit deutschen Inschriften versehen - geben Auskunft über den Namen und das Familiengeschlecht, das Todes- und Begräbnisdatum sowie Lobpreisungen des guten Charakters, der sozialen und religiösen Verdienste des Verstorbenen. Hinzu kommen Segenssprüche für das Fortleben der Seele nach dem Tod. Die Toten wurden in Reihen bestattet, wobei der Gerechte nicht neben dem Sünder liegen darf. Das heißt, Selbstmörder und Kriminelle verbannte die Gemeinde an den Rand, an die Friedhofsmauer.

Zu den prominenten Persönlichkeiten gehören Fromet Mendelsohn, geb. Guggenheim, Ehefrau des Philosophen Moses Mendelsohn, der Tuchhändler Samson Heine, Vater des Dichters und Schriftstellers Heinrich Heine sowie Wolff Salomon Warburg, Gründer des Altonaer Bankhauses W.S. Warburg, und dessen Familienmitglieder.

1869, Altona gehörte nach dem Preußisch-Österreichischen Krieg zum Königreich Preußen und stand unter der Verwaltung der Provinz Schleswig-Holstein, wurde der Friedhof geschlossen. Wegen des steigenden Grundwassers war keine Grablege mehr möglich. Ausweichmöglichkeiten boten der Grindelfriedhof, der Friedhof Bornkamp und ab 1883 der Friedhof in Ohlsdorf.

Während des Dritten Reiches und dem Zweiten Weltkrieg kam es zu rassistischem Vandalismus; Bombenangriffe zerstörten und dezimierten die Grabmäler. Ende 1942 wurde der Jüdische Friedhof in Hamburg Altona enteignet. Eine geplante Räumung konnte aufgrund des Hamburger Verwaltungsrechtes jedoch verhindert werden.

Jüdischer Friedhof Altona
Königstraße 10a, 22767 Hamburg
Weitere Informationen
Außerdem sind Informationen hier zu finden
Link zu Historischen Aufnahmen von Max Halberstadt und Erläuterungen (PDF)
Führungen auf dem jüdischen Friedhof Altona: jeden Sonntag 12 Uhr (außer an jüdischen und gesetzlichen Feiertagen)
Unkostenbeitrag: Erwachsene 5 €, Kinder 0 €, Anmeldungen für Gruppen über den Museumsdienst: Tel. (040) 4281 310
Öffnungszeiten für das Eduard Duckesz-Haus und die Bibliothek
April – September: Dienstag, Donnerstag 15 - 18 Uhr, Sonntag 14 - 17 Uhr
Oktober - März: Dienstag, Donnerstag, Sonntag 14 - 17 Uhr und nach Vereinbarung, außer an gesetzlichen und jüdischen Feiertagen
Besucher sollten eine Kopfbedeckung tragen, um die Würde der Verstorbenen nicht zu verletzen.


Der nächste Teil über den Jüdischen Friedhof in Hamburg-Ohlsdorf folgt am 8. Februar 2017.


Abbildungsnachweis:
Header: Gräber auf dem jüdischen Friedhof Altona. Foto: Claus Friede
Galerie:
01. Eingang zum jüdischen Friedhof Altona an der Königstraße. Foto: Claus Friede
02. Eduard Duckesz-Haus. Foto: Felix Borkenau
03. Gräber auf dem jüdischen Friedhof Altona. Foto: Claus Friede
04. Grab des Altonaer Rabbiners Ezechel Katzenellenbogen (gest. 1749). Foto: Claus Friede
05. Grab des Rabbiners Jacob Israel Emden (gest. 1776). Grabinschrift in Reimform. Foto: Claus Friede
06. Sephardische Zeltgräber. Fotoquelle: Wikipedia (Aufnahme: Catrin. CC BY 3.0)

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