NewsPort - Kunst & Kultur aktuell

Kunsthandwerk, Grafik & Design

„August Sander ist immer ganz speziell für mein Leben gewesen“, so übersetzt die Dolmetscherin das zarte Flämisch der Illustratorin Ingrid Godon, die dazu gleichzeitig wie zum Beweis ein kleines Skizzenbuch hervorholt und es den anwesenden Journalisten zeigt. Darin: zahlreiche Entwürfe und Zeichnungen, mal angedeutet, mal ausgearbeitet, aber alle inspiriert von den Porträtaufnahmen des deutschen Fotografen August Sander. „Ich hätte mir nie erträumt, dass meine Bilder mal gemeinsam mit Sanders Fotografien ausgestellt werden würden“, strahlt Ingrid Godon.

Galerie - Bitte Bild klicken
Die flämische Illustratorin ist Ehrengast im Museum für Angewandte Kunst Köln (MAKK), das die 20. Internationalen Kinder- und Jugendbuchwochen begleitet, welche dieses Jahr unter dem literarischen Schwerpunkt „Flandern und die Niederlande“ ausgerichtet werden – genauso wie übrigens die Frankfurter Buchmesse 2016, weshalb deren Künstlerischer Leiter Bart Moeyaert extra zur Kölner Ausstellungseröffnung angereist ist. Ingrid Godon, mehrfach ausgezeichnet für ihre Kinderbuch-Illustrationen, die sie unter anderem in den Bändern „Ik wou“ („Ich wünschte“) und „Ik denk“ („Ich denke“) veröffentlicht hat, ist dabei die erste Künstlerin, die im Rahmen der Kinder- und Jugendbuchwochen die „museale Weihe“ erhält, wie es Hans-Georg Bögner, Geschäftsführer der SK Stiftung Kultur, hervorhebt – bislang wurden die Arbeiten der bei der Buchwoche vertretenen Illustratoren eher in kleinerem Rahmen gezeigt. Man freue sich daher ganz besonders, dass die Würdigung der buchillustratorischen Arbeit in Kooperation mit dem Museum geglückt sei.

Die so entstandene Ausstellung „Schau mich an“ im MAKK versucht den Dialog zwischen Zeichnung, Fotografie und Text: den Bildpaaren von Godon und Sander ist zusätzlich je noch ein freier Text des niederländischen Kinderbuchautors Toon Tellegen beigeordnet. Was sich ergibt, so erläutert MAKK-Direktorin Petra Hesse, seien „Triptychen“, die das Kinderporträt-Motiv auf verschiedenen künstlerischen Ebenen erfahrbar machen sollen. Dass die Bilder für junge BesucherInnen extra tief gehängt seien, ergänze den museumspädagogischen Anspruch der Ausstellung.

Gerade beim unmittelbaren Bildvergleich fallen die Referenzen ins Auge. August Sander, der für seine eindringlichen Porträtfotografien bekannt geworden ist (die später im berühmten Werk „Menschen des 20. Jahrhunderts“ zusammengefasst wurden), fotografierte gezielt auch immer wieder Familien, Mütter mit Säuglingen sowie Jungen und Mädchen in verschiedenem Alter. Seine schwarz-weiß-Aufnahmen zeigen Kinder meist in ihrem heimatlichen Umfeld, teilweise extra hübsch angezogen, und stets frontal zur Kamera ausgerichtet – und trotzdem wirkt sein fotografischer Blick nicht invasiv, sondern ruhig, behutsam, momenthaft aus dem Leben gegriffen. Ähnliches vollziehe sich in den filigranen Zeichnungen von Ingrid Godon, wie Kuratorin Maria Linsmann-Dege beim Ausstellungsrundgang erklärt: eine Begegnung auf Augenhöhe mit dem kindlichen Sujet.

Worum es bei der bildlichen Gegenüberstellung in „Schau mich an“ weniger gehe, seien äußerliche Ähnlichkeitsbeziehungen zwischen Illustration und Fotografie, so Linsmann-Dege: „Wir zeigen keine rosigen Bilderbuchkinder, sondern es geht um den Ausdruck des Blicks, der die Persönlichkeit des Kindes hervortreten lässt.“ Was die Arbeiten von August Sander und Ingrid Godon gemein hätten, sei das Unverstellte, wie die Kuratorin ausführt: „Die Kinder müssen nicht für das Bild posieren, sondern können so bleiben, wie sie sind.“

Auch wenn die attestierte Verbindung der Kinderporträts von August Sander und Ingrid Godon dem Betrachter nicht immer unmittelbar ins Auge springt, gelingt es der Ausstellung doch, ein interessantes Spannungsverhältnis zwischen Zeichnung, Fotografie und Text zu kreieren, das gerade in der Zusammenstellung eindrücklich nachzuwirken vermag. Der Seelen- und Gemütszustand, dem in der kindlichen Porträtaufnahme nachgespürt werden soll, findet im Ausstellungskonzept auch noch in moderner Form statt: Junge Ausstellungsbesucher werden am Ende des Rundgangs dazu eingeladen, sich zeichnerisch oder per fotografischem „Selfie“ selbst abzubilden.

„Schau mich an“. Illustrationen von Ingrid Godon und Kinderporträts von August Sander.
Ausstellung im Rahmen der Internationalen Kinder- und Jugendbuchwochen mit Fokus auf flämische und niederländische Literatur.
Museum für Angewandte Kunst Köln (MAKK), An der Rechtschule, 50667 Köln
Eintritt 3 Euro, ermäßigt 1,50 Euro
Ausstellung läuft vom 26. Mai bis 10. Juli 2016.

Museumswebsite
Kinder- und Lesebuchwoche


Abbildungsnachweis:
Ingrid Godon: Alle © Ingrid Godon/mixtvision Verlag, 2012
August Sander: alle © Die Photographische Sammlung/SK Stiftung Kultur – August Sander Archiv, Köln; VG Bild-Kunst, Bonn 2016
Header: links Julia © Ingrid Godon/mixtvision Verlag, 2012. Rechts Bauernkind, 1925-30, August Sander © Die Photographische Sammlung/SK Stiftung Kultur – August Sander Archiv, Köln; VG Bild-Kunst, Bonn 2016
Galerie:
01. Ingrid Godon, Nora
02. Ingrid Godon, Jean
03. August Sander, Bürgerkinder, 1925
04. August Sander, Junge, um 1922
05. Ingrid Godon, Roosje
06. Ingrid Godon, Berthe
07. August Sander, Arbeiterkinder, 1932
08. August Sander, Kinder, 1911-14
09. Ingrid Godon, Carl
10. August Sander, Bürgerkind, um 1925

Kommentar verfassen
(Ich bin damit einverstanden, dass mein Beitrag veröffentlicht wird. Mein Name und Text werden mit Datum/Uhrzeit für jeden lesbar. Mehr Infos: Datenschutz)

Kommentare powered by CComment


Wir benutzen Cookies

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.