The way of being an artist is only possible by willing to seek for something that you want to achieve and you will never achieve… But I still dream to achieve…
So lautet das in sich gebrochene, weh-frohe Credo der Hoffnung der gebürtigen japanischen Violinistin Sayaka Shoji. Auf dessen gedanklichen Gehalt zu reflektieren sein wird. Was mich hellhörig gemacht und sofort für das Spiel dieser Geigerin eingenommen hat, war das YouTube-gestützte Lauschen auf die bereits ein wenig in die Jahre gekommene Einspielung von Felix Mendelssohn Bartholdys Violinkonzert e-Moll op. 64. mit dem Staatlichen Akademischen Sinfonieorchester Russlands unter der musikalischen Leitung von Mikhail Jurowski.
Das ungläubig-gläubige Credo dieser Geigerin hat zentral mit ihrem Kunstverständnis in genere zu tun. Wobei man wissen muss, dass sie sich nicht bloß auf ihr Instrument fokussiert hat, sondern dass ihr Interesse ebenso sehr der Literatur, vor allem aber der bildenden Kunst, speziell der Malerei, gilt. Sie selbst unternimmt immer wieder aufs Neue den Versuch, ihre in der musikalischen Wiedergabe der Notentexte zu erstrebenden Tiefeneinblicke ins kompositorisch Wesentliche ins Bildnerische zu überführen, also das zum Erklingen gebrachte zu visualisieren. Mit dem Folgenden beziehe ich mich im Übrigen auf den gleichfalls bei YouTube abrufbaren Beitrag The Creative Woman – Sayaka Shoji (Japan Tour with Menahem Pressler / Mar-Apr 2014; s. u. den link).
Die ungeheure Seriosität dieser Violinistin bekundet sich darin, dass sie, um sich dem Gehalt der Musik in ihrem innersten Kern zu nähern, sich vorab und parallel mit der Ästhetik, Philosophie und Weltanschauung der jeweiligen Zeit beschäftigt, in der das von ihr musikalisch auszulegende Werk jeweils entstanden ist. Dabei befindet sie sich unentwegt auf der Suche, gilt ihr unermüdliches Streben dem Versuch, die eigentliche und letzte Intention einer Komposition zum Erklingen zu bringen. Sie vergleicht ihr Tun mit der Arbeit eines Übersetzers, der auch seine hoch-schwierige Aufgabe darin erblicken sollte, die literarische Hintergrundschicht – eines Romans etwa – so in eine andere Sprache zu überführen, dass der emotional-intellektuelle Gehalt dabei nicht nur nicht verlorengeht, sondern, modifiziert, in Erscheinung tritt. Die Kopie als der Versuch, dem Original sein Geheimnis abzulauschen; in der (musikalischen) Reproduktion an den Ort der eigentlichen Entstehung – ein ins Gelingen verliebtes Unterfangen – vorzudringen.
Diese Künstlerin ist auf der permanenten Suche nach dem künstlerischen Hintergrund der Musik, des Bildes, dem es sich zu nähern gelte, in und trotz der Gewissheit des letztlichen Misslingens. Ins Literarische transponiert in etwa so: Was mich zum Schreiben treibt, ist ganz einfach die Lust am Spiel. Sie (also er, Thomas Bernhard, F.-P.H.) empfinden das Vergnügen, auf eine Karte zu setzen und dabei zu wissen, daß man jedesmal alles gewinnen oder alles verlieren kann. Das Risiko des Scheiterns scheint mir ein wesentliches Stimulans. (Thomas Bernhard, Der Wahrheit auf der Spur, st., Berlin 2011, S. 219)
Die Schönheit der Kunst entberge sich in der Vergänglichkeit des Augenblicks, in dem Aufscheinen eines Unergründlichen. Wenn sie spiele, versuche sie, der Komponist selbst zu werden. Anders: Sie versuche so zu spielen, als würde das zu spielende Stück in genau diesem Augenblick komponiert werden; als wäre die Reproduktion die Produktion selbst. Dazu sei es nötig, die Musik mit dem größten Ernst des Herzens zu hören. Und das sei erneut eine Art vergänglicher Augenblickseingebung. Es sei unmöglich, sich auf diesen Moment vorzubereiten, wie es auch unsinnig sei, sich auf das Gefühl der Liebe vorzubereiten. Wer liebt, spricht es in diesem ganz speziellen Moment der sich verlierend-findenden Hingabe aus, dass er liebt, ohne sich von diesem Gefühl Rechenschaft geben zu können; da es das der reflektierenden Distanz Anatheme ist.
Ihr Spiel: Höchster, konzentriertester Ernst gepaart mit schwebender Leichtigkeit, Anmut und Grazie. Auf ihrem Gesicht breitet sich, worauf zu achten ich rate, im 3. Satz des Mendelssohnschen Violinkonzerts (Allegretto non troppo – Allegro molto vivace) ein Leuchten und ein sanfter Glanz aus, die an zwei Stellen in ein still-hingebungsvolles Lächeln übergehen. Grad so, als hätte sie in diesem vergänglich-flüchtigen Moment, wenn auch nur eine Ahnung der gesuchten ästhetischen Erfüllung erhascht, die für Sayaka Shoji identisch mit der Liebe im Augenblick ihres Erlebtwerdens ist.
Sayaka Shoji
Weitere Informationen (Homepage Sayaka Shoji)
YouTube-Videos:
- Shoji Sayaka plays Mendelssohn's Violin Concerto in E minor (33:56 Min.)
- The Creative Woman - Sayaka Shoji (Japan Tour with Menahem Pressler / Mar-Apr 2014; 24:59 Min.)
Hinweis: Die Inhalte der Kolumne geben die Meinung der jeweiligen Autoren wieder. Diese muss nicht im Einklang mit der Meinung der Redaktion stehen.
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