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Die Goethe-Medaille 2019 geht an den deutsch-türkischen Schriftsteller Doğan Akhanlı, die in den USA lebende und im Iran geborene Künstlerin und Filmemacherin Shirin Neshat sowie an den mongolischen Verleger, Buchhändler und politischen Publizisten Enkhbat Roozon. Das Goethe-Institut verleiht das offizielle Ehrenzeichen der Bundesrepublik Deutschland jedes Jahr an Persönlichkeiten, die sich in besonderer Weise für den internationalen Kulturaustausch einsetzen. Die Goethe-Medaille wird am 28. August 2019, dem Geburtstag Johann Wolfgang von Goethes, durch den Präsidenten des Goethe-Instituts Klaus-Dieter Lehmann in Weimar übergeben. Die diesjährige Verleihung steht unter dem Thema „Dichtung und Wahrheit“.
 
Der Präsident des Goethe-Instituts Klaus-Dieter Lehmann erklärte anlässlich der Bekanntgabe der diesjährigen Preisträgerin und der Preisträger der Goethe-Medaille: „Mit Doğan Akhanlı, Shirin Neshat und Enkhbat Roozon werden drei international wirkende Persönlichkeiten ausgezeichnet, deren künstlerische Arbeiten durch die intensive Auseinandersetzung mit gesellschaftlicher Wirklichkeit und dem Verhältnis von ‚Dichtung und Wahrheit‘ geprägt sind. Das diesjährige Schwerpunktthema gilt dabei als ein Gegenstück zur Simplifizierung und als ein Plädoyer für mehr Genauigkeit, intensiveres Recherchieren und präziseres Denken. Die Preisträgerin und die Preisträger der Goethe-Medaille 2019 geben außergewöhnliche Beispiele für eine verantwortungsbewusste kulturelle Verständigung. Über Ländergrenzen hinweg setzen sie Zeichen gegen Diskriminierung und Gewalt - für die Kraft von Bildung, Kunst und Kultur.“
 
Die Begründung der Preisvergabe
Doğan Akhanlı setzt sich in seinen Romanen, Essays und Theaterstücken sowie mit seinem politischen Engagement seit vielen Jahren für die Völkerverständigung, insbesondere zwischen den Armeniern, Türken und Kurden ein. „Es gibt Persönlichkeiten, die nicht schweigen können, wenn es um Gerechtigkeit geht“, so die Kommission der Goethe-Medaille, „zu ihnen gehört der deutsch-türkische Schriftsteller Doğan Akhanlı. Mit großer Klarheit setzt er sich ein für eine Erinnerungskultur und den Dialog der Kulturen ohne jedwede Simplifizierung. Seine Dichtung ist Wahrheit, eine bittere Wahrheit, wunderschön verwebt in seinen Romanen, Theaterstücken und Essays, die in besonderer Weise zur Verständigung der Völker beiträgt.“ Shirin Neshat versteht es, mit ihrer Kunst - Filmen, Videos und Fotografien - Politik und Poesie innig miteinander zu verbinden. „Der Kampf, den sie führt, ist ein Kampf zwischen den Welten“, betont die Jury. „Mit ihrer Kunst engagiert sie sich für die Lage der Frauen in der muslimischen Welt und zugleich gegen einseitige Blicke auf den Islam. Dabei setzt sie sich produktiv mit den Spannungen zwischen westlichen und orientalischen Kulturtraditionen auseinander.“ Enkhbat Roozon gilt in der Mongolei als „treibende Kraft für eine offene, kritische und mündige Zivilgesellschaft - ohne Rücksicht auf mögliche eigene Nachteile. Mit seiner publizistischen und verlegerischen Arbeit versucht er, unbequeme Wahrheiten in der mongolischen Gesellschaft aufzudecken und insbesondere ihr Bildungssystem zu verbessern. Sein Engagement steht beispielhaft für Genauigkeit, intensives Recherchieren und präzises Denken“, heißt es in der Preisbegründung.
 

Goethe-Medaille 2019

Doğan Akhanlı, geboren 1957 in der Türkei, lebt seit 1992 als freier Autor in Köln. Vor seiner Flucht nach Deutschland wurde er in der Türkei mehrfach verhaftet. Im Exil begann er zu schreiben und hat zahlreiche Romane und Theaterstücke verfasst, in denen er sich immer wieder für den wahrhaftigen Umgang mit historischer Gewalt, für Erinnerung sowie für die Unteilbarkeit der Menschenrechte einsetzt. Ende der 90er Jahre erschien seine Trilogie „Kayip Denizler“ („Die verschwundenen Meere“), deren letzter Band „Kiyamet Günü Yargiçlari“ („Die Richter des Jüngsten Gerichts“) den Völkermord in Armenien im Jahr 1915 beschreibt. Sein Roman „Madonna’nin Son Hayali“ („Madonnas letzter Traum“, 2005, dt. 2019) handelt von der Versenkung eines Frachters mit 700 jüdischen Flüchtlingen im Schwarzen Meer 1942 durch ein russisches U-Boot. Sein erstes Theaterstück in deutscher Sprache „Annes Schweigen“ wurde 2012 in Berlin (Theater unterm Dach) und im Januar 2013 in Köln (Theater im Bauturm) uraufgeführt. Akhanlı engagiert sich neben seinen Texten aktiv für den Dialog zwischen verschiedenen Kulturen, Ethnien und Religionen: 2002 beginnt Akhanlı mit deutsch-türkischen Führungen im ehemaligen Gestapogefängnis in Köln, spricht mit türkischen Jugendlichen über die Verfolgung der Juden während des Nationalsozialismus und hält Vorträge über „Antisemitismus in der Einwanderergesellschaft“. In Berlin ruft er das Projekt „Flucht-Exil-Verfolgung“ ins Leben. Sein jüngstes Buch „Verhaftung in Granada oder: Treibt die Türkei in die Diktatur?“ (2018) verarbeitet seine Festnahme 2017 auf Verlangen der Türkei in Spanien. Doğan Akhanlı wurde 2018 mit dem Europäischen Toleranzpreis für Demokratie und Menschenrechte ausgezeichnet.
 
Shirin Neshat, geboren 1957 im Iran, lebt in New York und arbeitet als Künstlerin und Filmemacherin. In ihren Arbeiten beschäftigt sie sich mit dem Leben muslimischer Frauen in diktatorischen Regimen. Shirin Neshat wuchs während der Regentschaft des Schahs in einem liberalen, intellektuellen Elternhaus auf und studierte Kunst in den USA. Mit der islamischen Revolution, der Machtübernahme durch Ayatollah Khomeini und dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen zwischen den USA und dem Iran 1979 blieb ihr die Rückkehr in die Heimat verwehrt. 1990 reiste sie erstmals zurück und war erschüttert von den Auswirkungen der Revolution - insbesondere auf das Leben der Frauen im Iran, deren öffentlicher Stellenwert gegenüber den Männern eingeschränkt wurde. Unter diesen Eindrücken schuf sie ihre ersten fotografischen Serien „Unveiling” (1993) und „Women of Allah” (1993-97) – eindrucksvolle, großformatige Schwarz-Weiß-Porträts muslimischer Frauen. Subversiv kontrastiert sie darin Weiblichkeit, Gewalt und Poesie: Manche der Frauen tragen den Tschador, andere Schusswaffen, einzig ihre nicht verhüllten Hände, Augen, Füße und Gesichter sind mit persischer Kalligrafie bedeckt. Shirin Neshats Arbeiten sind weltweit in vielen Museumssammlungen vertreten und ihr wurden zahlreiche Einzelausstellungen gewidmet, u.a. in Venedig, Washington D.C., Seoul, Amsterdam, London, Berlin und in Montréal. Mit ihrem ersten Spielfilm „Women Without Men“ gewann Shirin Neshat 2009 den Silbernen Löwen beim Biennale-Filmfestival in Venedig. 2017 debütierte sie als Opernregisseurin mit einer viel beachteten Inszenierung von Verdis „Aida“ bei den Salzburger Festspielen. Kurz darauf beendete sie ihren zweiten Spielfilm „Auf der Suche nach Oum Kulthum“, der von dem Leben und dem künstlerischen Schaffen der erfolgreichsten Sängerin des Nahen Ostens erzählt.
 
Enkhbat Roozon, geboren 1958 in Ulan Bator, ist ein mongolischer Verleger, Buchhändler und politischer Publizist. Nach seinem Studium an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig arbeitete er zunächst mehrere Jahre als Fotograf und Leiter der staatlichen Fotoagentur MonTsaMe. 1996 machte er sich mit dem Admon Druckhaus selbstständig, 2000 gründete er den Monsudar Verlag, der mittlerweile führend ist im Bereich internationale Belletristik, Wörter- und Kinderbücher sowie moderne Lehrmaterialien. Ab 2005 baute er die Internom Buchhandelskette auf – heute die größte des Landes. Mit Artikeln und Interviews sowie in öffentlichen Veranstaltungen setzt sich Roozon insbesondere für die Modernisierung des mongolischen Bildungssystems und die Stärkung der Meinungsfreiheit gegenüber den politischen Parteien ein. Denn bis heute hat sich in der Mongolei weder eine unabhängige, vielfältige Presselandschaft noch kritische Öffentlichkeit etablieren können. Diese Standards zu festigen sind die zentralen Ziele Roozons. Seinem Engagement liegt dabei die Überzeugung zugrunde, dass gesellschaftlicher Fortschritt in der Mongolei nur auf Basis der Werte der Aufklärung gelingen kann, unter Anerkennung der Autonomie und Mündigkeit jedes einzelnen Bürgers. Dies zu befördern, hält er für die oberste Aufgabe der Bildungspolitik, für die er sich seit vielen Jahren persönlich und publizistisch engagiert. 2009 gründete Enkhbat Roozon die NGO Davalgaa („Bildungswelle“), seit 2017 ist er Mitglied im „Bildungsrat“ des Präsidialamtes der Mongolei.
 
Verleihung und Rahmenprogramm 2019
In diesem Jahr werden die Laudationes auf die Preisträger der Goethe-Medaille 2019 gehalten von der Literaturkritikerin Insa Wilke (Laudatio auf Doğan Akhanlı), der Kunstwissenschaftlerin Britta Schmitz (Laudatio auf Shirin Neshat) sowie von Damian Miller, Professor für Pädagogik und Psychologie in Thurgau (Laudatio auf Enkhbat Roozon). Die Verleihung findet am 28. August um 11 Uhr in der Kleinen Weimarhalle statt. Gemeinsam mit dem Kunstfest Weimar lädt das Goethe-Institut darüber hinaus zu drei Veranstaltungen mit der Preisträgerin und den Preisträgern ein:
 
26. August, 19 Uhr, Deutsches Nationaltheater Weimar
Enkhbat Roozon und Marina Weisband diskutieren unter der
Gesprächsleitung von Elisabeth Ruge über das Thema „Demokratie fällt nicht
vom Himmel – wie ermutigt man Menschen?“
 
27. August, 18.30 Uhr, Herzogin Anna Amalia Bibliothek, Weimar
Doğan Akhanlı, „Madonnas letzter Traum“, Lesung und Gespräch mit dem
Chefdramaturgen der UFA Thomas Laue
 
28. August, 18 Uhr, Lichthaus Kino, Weimar
Shirin Neshat, „Auf der Suche nach Oum Kulthum“, Filmvorführung mit
anschließendem Filmgespräch
 
Die Kommission der Goethe-Medaille
Dr. Franziska Augstein (Journalistin, Süddeutsche Zeitung), Prof. Dr. Christina von Braun (Vorsitzende und Vertretung des Präsidiums, Kulturwissenschaftlerin, Humboldt-Universität zu Berlin), Dr. Meret Forster (Redaktionsleiterin Musik, BR-Klassik), Dr. Anselm Franke (Kurator, Leitung Bereich Bildende Kunst und Film, Haus der Kulturen der Welt), Dr. Ina Hartwig (Kulturdezernentin der Stadt Frankfurt am Main, Literaturkritikerin), Prof. Dr. Ursula von Keitz (Filmwissenschaftlerin, Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf), Ulrich Khuon (Intendant, Deutsches Theater), Eva Menasse (Schriftstellerin), Elisabeth Ruge (Autorin, Verlegerin und Literaturagentin), Moritz Müller-Wirth (Journalist, Die Zeit); in Vertretung des Auswärtigen Amtes: Andreas Görgen (Leiter der Abteilung Kultur und Kommunikation Auswärtiges Amt); in Vertretung des Goethe-Instituts: Klaus-Dieter Lehmann (Präsident des Goethe-Instituts), Johannes Ebert (Generalsekretär des Goethe-Instituts)
 
Quelle: Goethe-Institut e.V.

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