Das dritte Soloalbum der kanadischen Violinistin und Komponistin Sarah Neufeld stellt sieben neue Stücke auf „Detritus“ vor.
Nach dem gefeierten Debütalbum „Hero Brother“, das von Nils Frahm 2013 in Berlin produziert wurde, veröffentlichte Neufeld 2016 ihr zweites Soloalbum: „The Ridge“, das sich schon deutlich befreit hat von vormaligen Ideen. Sie konzentriert sich hier erstmals ihre Stimme und setzt es wie ein Instrument ein.
Bekannt wurde Neufeld also nicht durch Mainstream-Veröffentlichungen, sondern durch einen sehr eigenen Umgang mit ihrem Instrument, der klassischen Violine und ihren teilweise sehr emotionsgeladenen Kompositionen.
Sie war Mitglied der im Jahr 2002 in Montréal (Québec) gegründeten Indie-Rock-Gruppe „Arcade Fire“. Aus dieser Zeit kennt sie den Schlagzeuger Jeremy Gara, der ebenfalls Bandmitglied war und auch auf diesem Album für den Drum-Sound sorgt. Den französischen Hornisten Pietro Amato kennt sie von der Zusammenarbeit in der Avandgarde-Band „Bell Orchestre“ – und auch er spielte ab und zu für „Arcade Fire“. Letzteres gilt ebenfalls für den amerikanischen Multiinstrumentalisten und Komponisten Stuart Bogie, der auf diesem Album Saxophon und Flöte spielt.
Neufelds musikalische Einflüsse und Orientierungen sind in einem Jahrhundert zuhause: von Béla Bartók (1881-1945) zu Steve Reich (*1936) über den New Yorker Avantgarde-Musiker und Cellisten Arthur Russell (1952-1992) bis hin zu dem britisch-irischen Musiker und Label-Chef Richard David James (1971) aka Aphex Twin, der einer der wichtigsten Vertreter der Electronica-Szene ist.
Allein an dieser von ihr aufgeführten Liste erkennt man ihre architektonisch-kompositorische Haltung, die auch auf „Detritus“ teilweise sehr deutlich zu hören ist.
„Detritus“ ist ein wissenschaftlicher Fachbegriff aus der Geologie und Biologie und bedeutet soviel wir Sediment, Schwebematerial in Gewässern oder feingeriebenes Gesteinsmaterial. Hat man das Album gehört, versteht man den Titel, denn musikalisch schwebt vieles, bewegt sich langsam und bedacht, konzentriert und ruhig, bis ein Hauch von Strömung Bewegung bringt, sich fast ekstatisch verstärkt und selbst dann noch weich, locker und harmonisch bis zum Ausklang bleibt. Das musikalische Sediment sucht einen Ablagerungsort und wird doch immer wieder aufgewirbelt. Das ist im übertragenen Sinn auch auf unsere Gefühlswelt übertragbar und sicherlich auch auf die der Komponistin.
Neufelds Stimme sorgt auf „Detritus“ für luftigen Klang und ordnet sich ganz selbstverständlich und organisch-instrumental ein, ohne Worte oder Text finden zu müssen.
Die Kompositionen und Arrangements der Songs auf dem Album gehen ursprünglich auf eine energetische Zusammenarbeit zwischen ihr und der Choreografin und Tanzkünstlerin Peggy Baker (*1952) zurück, mit der Neufeld 2020 im Rahmen der zeitgenössischen Tanz-Produktion „Who We Are in the Dark“ weiter auf Tour gehen sollte, die dann, nach ersten Auftritten 2019 und 2020, wegen der Pandemie ausgesetzt werden musste. Live spielen Sarah Neufeld und Jeremy Gara mit sieben Tänzern auf der Bühne, die im Dunkeln wechselnde von Identitäten, über Verrat, Geheimnissen und Intimitäten erforschen und betanzen.
Sarah Neufeld: Detritus
Pietro Amato: French Horn | Stuart Bogie: Flute, Saxophone | Jeremy Gara: Drums, Synth | Sarah Neufeld: Violin, Vocals, Synth
Label: One Little Independent records (OLI)
CD
EAN: 5016958097929
VÖ: 14.05.2021
YouTube-Video:
- Sarah Neufeld – With Love and Blindness (2:57)
- Sarah Neufeld – Stories (6:13)
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