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Weihnachtsoratorium vom Ensemble Resonanz: Frohlocken unter Freunden

Seit 2014 spielt das Ensemble Resonanz jedes Jahr seine ganz eigene Fassung von Bachs „Weihnachtsoratorium“ im Resonanzraum im Bunker an der Feldstraße in Hamburg: innig, abgespeckt, eigenwillig instrumentiert und perfekt – der kompakte Soundtrack für ein Sehnsuchtsfest in Wohnzimmer-Atmosphäre, wie wir es in den Erinnerungen unserer Kindheit immer mit uns herumtragen. Und weil das inzwischen auch an vier Abenden schnell ausverkauft ist, gibt es das nun auch auf CD.

„WO“ nennen Musiker, Profis und Laien, Bachs „Weihnachtsoratorium“ – die beiden liebvoll-despektierlichen Buchstaben sind die Abkürzung für eine unglaubliche Erfolgsgeschichte, die 1734 in den Leipziger Kirchen St. Thomae und St. Nikolai begann, als Bach Chöre und Arien überwiegend aus weltlichen Kantaten umarbeitete, Choräle und in den Rezitativen die biblische Weihnachtsgeschichte hinzufügte und diese sechs neuen Kantaten an den damals sechs Feiertagen um Weihnachten aufführte.

Das arbeitsökonomische Recycling machte aus den für einzelne weltliche Anlässe am Dresdner Hof komponierten Musikstücken Mosaiksteinchen des heute wohl meist aufgeführten geistlichen Oratoriums – mit den jährlich wiederkehrenden Feiertagen jährlich neu aufführbar. Wer da nun abschätzig „Mainstream“ murmelt, geht an der Wirklichkeit vorbei: Bachs Musik und die Worte des Evangeliums berühren auch nach 280 Jahren noch. Johannes Öllinger, bei der Ensemble-Resonanz-Aufnahme an den Gitarren dabei, bringt das auf den Punkt: „Weihnachten ohne WO ist nur die halbe Wahrheit.“

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Chor überflüssig: Die Resonanzler singen selbst
Einfach Mainstream, nur etwas präziser und hübscher, ist natürlich nicht die Sache der Resonanzler. Sie verändern die Instrumentierung. Statt Flöten und Oboen setzen die Vintage-Keyboards von Bunker-Nachbar Michael Petermann neue Akzente, die einzige, blitzblanke und hochvirtuose Trompete spielt Markus Schwind, Öllingers Gitarren können Continuo, Melodie, aber auch mal die Pauken ersetzen. Das Solistenquartett (Johanna Winkel, Sopran, der wundervolle Alt von Truike van der Poel, der bewegliche Tenor von Benjamin Glaubitz und Dominik Köninger, Bass) singt die Chöre, die Ensemblemusiker – vier Violinen, drei Bratschen, Cello und Bass) singen selbst die Choräle. Als hätten sie sich gerade eben im Familienkreis zusammengefunden, um in aller Ruhe ein bisschen Weihnachtsoratorium zu spielen. Nicht Hochglanz mit 80 Choristen und vollem Orchester, auch nicht akribisch einstudierte Alte-Musik-Authentizität. Sondern der Versuch, der spirituellen Seele von Bachs Musik so nah wie möglich zu kommen, Wärme und Innigkeit und die Sehnsucht nach dem Weihnachten der Kindheit zu spüren.
Und den inneren Frieden des Festes, der bei jedem in diesem Oratorium einen anderen Platz haben kann. Bei dem Chorknaben aus der Frühzeit des Autors war es der Choral „Brich an, o schönes Morgenlicht“, beim Geiger, der er später mal wurde, waren es die ersten Takte der Sinfonia – wenn die erklangen, war Weihnachten da. Und das ist bis heute so geblieben.

Was ist denn nun wirklich anders als im Original? Das meiste wird notengetreu, aber nicht unbedingt instrumentengetreu gespielt. Was Bachs Musik schon zu seiner Zeit locker wegsteckte. Gleich den Beginn machen die Gitarren-Pauken, eine leichte Irritation nur. Auf die zweite und dritte Trompete kann man leicht verzichten, wenn nur die erste so perfekt geblasen wird wie hier im Eingangschor, der Arie „Großer Herr und starker König“ und im Schlusschoral mit seinen biestigen Sprüngen und Stolperfallen.

Ein bisschen Jazz für die Hirten auf dem Felde
Die Sinfonia (die Hirten auf dem Felde) kommt glöckchenklar aus dem E-Piano, aber kein bisschen kitschig, irgendwann gibt die gedämpfte Trompete eine verträumte Jazz-Melodie dazu. Da möchte man schon nicht mehr, dass dieses Stück jemals aufhört. Die High-Speed-Tenorarie „Ich will nur dir zu Ehren leben“ swingt entzückend – und Bach hätte seinen Spaß daran gehabt, er hat es ja so geschrieben. Und im letzten Rezitativ donnert es auch mal kräftig elektronisch, um „der Höllen Schrecken“ hörbar zu machen.

Geblieben sind von den 64 Einzelnummern der sechs Kantaten 30 – und man hat den Eindruck: Da fehlt doch gar nichts. Die Resonanz-Fassung ist schlüssig, ohne spürbare Fehlstellen, mit zarten Fingern und viel Musiker-Herzblut gekürzt, kein plattes Best-of. Gewachsen und immer mal wieder leicht verändert seit ihrer Uraufführung, nun aber weitgehend fertig, wie man im Feldstraßenbunker versichert.

Die Akustik der Aufnahme aus dem Resonanzraum ist relativ trocken, ein fast kuscheliger Wohnzimmerklang, eine Hausmusik unter Freunden, mit Respekt und Hingabe musiziert, intim, ohne Barock-Pathos-Hallverklärung. Sie wurde als Nummer 001 auf dem neuen Label „resonanz raum records“ veröffentlicht, auf dem künftig die Herzensprojekte des Ensembles erscheinen sollen. Und man versteht Juditha Haeberlin, Resonanz-Konzertmeisterin und Initiatorin des Projekts, in ihrer Begeisterung, dass es gelungen ist, „das mit so vielen Erinnerungen verbundene Oratorium heimzuholen und es sich fürs Ensemble zu eigen zu machen“. Sie sagt: „Das pure Glück.“

J.S. Bach: Weihnachtsoratorium
Ensemble Resonanz.
CD
resonanz raum records 001

Die vier Live-Termine im Resonanzraum (Feldstraße 66) vom 19. bis 22. Dezember, jeweils 21:00 Uhr, sind so gut wie ausverkauft.

Hörbeispiele
Vimeo-Video:
»weihnachtsoratorium« // Ensemble Resonanz


Abbildungsnachweis:
Alle Fotos: Ensemble Resonanz © Jann Wilken
CD-Cover

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