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CDs KlassikKompass

Alfred Schnittke Sinfonie Nr. 3„Einhundert Musiker, davon 66 Streicher zelebrieren eine großformatige Sinfonie“, heißt es zu Beginn im Begleitheft und das ist auf den Punkt gebracht. Der Klang, den das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin unter Vladimir Jurowski erzeugt ist schlicht groß. Schnittke hat die 3. Sinfonie sehr geschickt angelegt, nicht allein was die jeweiligen Instrumental-Parts angeht, sondern auch in der Art wie er sich der Musikgeschichte als Steinbruch bedient. Die Sinfonie Nr. 3 zeichnet die Bandbreite der Musikkultur. Es ist viel zu hören von den musikalischen Leitfiguren Bach, Mahler, Mozart, Wagner, Strawinsky, Prokofiev und Schostakowitsch. Zur Eröffnung einer der besten Konzertinstitutionen passt die Verewigung der mehr als zwanzig Kollegen in der Komposition, denn auch sie füllen den Konzertsaal mit Werk.
Auch die Moderne gestaltet sich in der 3. Sinfonie: Anton von Weberns Kontrastidee des festen und lockeren Tons, den Schnittke Ende der 1960er-Jahre in seine Fundus übernimmt ist hörbar sowie Dessau, Hindemith und Orff. Die Liste ließe sich fortführen. Es ist ein prismatischer Ritt durch einen Teil der Musikgeschichte, mit Zitatcharakter, aber ohne ärgerlichen Eklektizismus.
Manche Kritiker vermissen das einzigartig Neue im Werk, die Leistung ist jedoch vielmehr: Bruchstücke so zusammenzufügen, dass sie neu klingen und das hat Alfred Schnittke mit seiner „Polystilistik“ bravourös geschafft.
„Ich möchte erwähnen, dass alle Antiquitäten in meinen Stücken von mir nicht gestohlen, sondern gefälscht worden sind“, kommentierte der Komponist einst selbstironisch.

Vom feinsten Pianissimo, einer nahezu gespenstigen Stille zu Beginn des Moderato über die gewaltigen Höhen von Blechbläsern, großer Trommel, Orgel und E-Gitarre atmet die Sinfonie schließlich im letzten Satz dann ruhig durch. Wie bei Gustav Mahler endet sie im Adagio.
Schnittke spielt zudem in allen Sätzen mit Begriffs-Ton-Anspielungen. Die Tonfolge e-d-d-e steht für Erde, d-es-c-h-a-d für Deutschland, e-g für Leipzig und zum Schluss gibt es dann noch b-a-c-h der tiefen Streicher.

Die Aufnahme des ältesten deutschen Rundfunkorchesters – gegründet 1923 – ist wahrlich vergleichbar mit der ebenfalls großartigen Aufnahme des Royal Stockholm Philharmonic Orchestra unter Eri Klas aus dem Jahr 1994. Jurowski – so jung er noch ist – hat durchaus Erfahrung und den Kern des Werks durchdacht. Sein Repertoire mit Brahms, Tschaikowski, Mahler und Rachmaninow passt gut zu Schnittke. Er kennt die 3. Sinfonie nach eigenem Bekunden seit seiner Jugend und schätzt die Kombination aus internen musikalischen Ideen und außermusikalischen, sprich philosophischem Gedankengut. Beides – Herz und Kopf führen Dirigent und Orchester konzentriert durch die 52 Minuten im Großen Sendesaal des „Haus des Rundfunks“ in Berlin und machen diese CD zu einem beeindruckenden Musikerlebnis.

Alfred Schnittke Sinfonie Nr. 3 (1981)
Rundfunksinfonie-Orchester Berlin, Vladimir Jurowski
Aufgenommen im Juli 2014 im Haus des Rundfunks Berlin. Eine Koproduktion von Pentatone, Deutschlandfunk und der Rundfunk-Orchester und Chöre gGmbH Berlin
Pentatone Classics | 1 SA-CD
PTC 5186 485 | Hybrid Multichannel
EAN 827949048562

YouTube: A. Schnittke — Symphony No.3 (V. Jurowski & Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin)


Abbildungsnachweis:
Header: Vladimir Jurowski. Foto: Matthias Creutziger
CD-Cover, Pentatone

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