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Theater - Tanz

Man kann sich heute kaum noch vorstellen, welchen Aufruhr das Stück, eine Auftragsarbeit zur Eröffnung des Museums of Contemporary Art in Los Angeles, bei seiner Uraufführung 1983 auslöste. Ein Ballett ohne jede Handlung, einzig bestehend aus sich immer wiederholenden, subtil variierenden Bewegungsmustern – puristisch-abstrakt bis an die Schmerzgrenze. Dazu ein skulptural strenger, fast ausschließlich durch Tageslicht beleuchteter Bühnenraum auf zwei Ebenen und eine einlullend melodisch-elektronische Klangkulisse. Drei Künstler aus ganz unterschiedlichen Sparten trafen für diese Auftragsarbeit zum ersten und einzigen Mal aufeinander: Lucinda Childs, Protagonistin des Postmodernen Tanzes, Frank O. Gehry, Vertreter einer neuen Formensprache in der Architektur und der Minimal-Musik-Pionier John Adams.

Dass ihr gemeinsames Stück auch nach 32 Jahren so unerhört ausgewogen erscheint, als komplette Einheit aus Raum, Klang und geometrisch-strengem Bewegungsmaterial, mag ein Hinweis darauf sein, dass sie sich an kreativer Kraft und Persönlichkeit in nichts nachstanden. Mit „Available Light“ schufen sie gemeinsam ein Stück Tanzgeschichte, das damals zweifellos revolutionär war.
Das „Revival“ jedoch wirkt aus heutiger Sicht seltsam brav und konventionell. Ein Museumstück, dessen mathematisch-abstrakte Struktur und Intention man schnell begreift, das den Zuschauer bestenfalls in eine meditative Trance versetzt – oder ihn einfach nur ermüdet.
Vor gut sechs Jahren fing Lucinda Childs an, ihre frühen Stücke zu rekonstruieren: „Einstein on the Beach“, die berühmte Oper von Robert Wilson und Philip Glass von 1976, für deren choreographischen Part sie verantwortlich zeichnet. Das legendäre Stück „Dance“, gemeinsam entwickelt mit Philip Glass und Konzeptkünstler Sol LeWitt 1979 – und nun „Available Light, das auf Kampnagel seine Europapremiere feierte.
Zehn Tänzer, vier in roten, vier in schwarzen und zwei in weißen Trikots, später kommt ein elfter in Weiß hinzu, absolvieren hier auf zwei Ebenen ihre Exercises – Schrittfolgen, Drehungen, kleine Sprünge, diagonal, kreuz und quer. Alles dem klassischen Ballett-Vokabular entlehnt, alles super exakt ausgeführt, alles „einfach bis zur Alltäglichkeit“, wie Lucinda Childs selbst sagt. Ihr komme es nicht auf das Bewegungsmaterial an, vielmehr auf die Art und Weise, wie es variiert wird, betont die mittlerweile 75-jährige Grande Dame des Postmodernen Tanzes jüngst in einem Interview mit FAZ. Gut möglich, dass sich aus diesen Rhythmen, Repetitionen und Kombinationen ein vor Energie vibrierendes Pattern-Ballett ergeben kann, wahrscheinlich sogar soll. An diesem Abend jedoch sprang der Funke einfach nicht über. Childs sportliche Tänzer wirkten eher wie mechanisch aufgezogene Puppen, die mehr Kopfarbeit als Körpereinsatz leisteten. Gehrys Raum allerdings begeistert auch nach 32 Jahren in seinem wunderschönen Purismus, den zwei Ebenen und den fünf Stahlgerüsten im Hintergrund, die im Laufe der 60-minütigen Vorstellung in ständig wechselndem Licht erschienen.

John Adams / Lucinda Childs / Frank Gehry: Available Light
am Sa, 8.8. um 19:30 Uhr (K6)

Internationales Sommerfestival 2015
05. bis 23. August 2015
Tickets: +49 40 270 949-49 (Montag bis Samstag 13:00-19:00)
Kampnagel Hamburg, Jarrestraße 20 in 22303 Hamburg.
Programm

YouTube-Video: John Adams / Lucinda Childs / Frank Gehry: Available Light
und Lucinda Childs on the Remount of Available Light at MASS MoCA


Abbildungsnachweis:
Header: SOMMERFESTIVAL: John Adams/ Lucinda Childs/ Frank Gehry: Available Light. Foto: Craig T. Mathew (2015)

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