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Hinreißend sieht die englische Königin aus in ihrem pinkfarbenen Outfit. Kerzengerade und mit hocherhobenem Kopf scheint sie ihr Gegenüber kritisch zu beäugen. So, als sei sie wenig amüsiert, dass wildfremde Menschen es wagen, sich vor sie hinzustellen und in aller Ruhe ihren Hut zu begutachten.
Seit Anfang Juli residiert Queen Elisabeth II. nun auf der Hamburger Reeperbahn – als jüngste Wachsfigur im ältesten Panoptikum Deutschlands.
Die größte Herausforderung sei gewesen, der 89-jährigen Monarchin die Würde offizieller Anlässe zu verleihen, erklärte der Berliner Bildhauer Gottfried Krüger bei der Enthüllung der Puppe. Dass es gelang, ist zweifellos auch der stimmigen Garderobe zu verdanken: Mantel und Kopfbedeckung kleiden „Her Majesty“ einfach fantastisch.

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Dass ausgerechnet sie, die Modistin mit dem wohl puristischsten Stil in ganz Hamburg, diesen „Traum in Rosé“ fertigen durfte, wundert sie immer noch. Wobei – irgendwie lag es wohl in der Luft: Ihre Sommerkollektion hatte Silvia Bundschuh wenige Wochen zuvor „Speed Queen“ benannt – nach den Waschmaschinen, vor denen eine befreundete Fotografin aus Wisconsin die neuen Modelle fotografiert hatte. „Mit der Queen im Waschsalon“ lautete der Werbespruch auf Bundschuhs Facebook-Seite. Bekanntlich gibt es ja keine Zufälle im Leben: Nur eine Woche später rief Susi Schaumburg an, die Hamburger Gewandmeisterin, die seit Jahren - neben Film- und Fernsehprominenz – die Wachsfiguren im Panoptikum einkleidet.

Ob Silvia vielleicht den Hut der…..? Und ob! „Für das Königshaus zu arbeiten, ist doch das Höchste für jede Hutmacherin“, schwärmt die zierliche Modistin lachend. Dass sie ein derart extravagantes Model noch nie gefertigt hatte, schreckte sie nicht: „Ich habe mir das gleich zugetraut“. Ihre Ausbildung bei Richard Lang im Baden-Württembergischen Walldürn sei einfach „exzellent“ gewesen, erzählt die 44-Jährige. Und in Hamburg, der Stadt, in die es sie 1993 verschlug, hätte sie in den ersten zwei Jahren einen großen Schatz an Erfahrungen sammeln können.

Dabei war Hamburg gleichsam eine Notlösung. Die Bauerstochter aus dem Bayerischen Monbrunn träumte vielmehr von Paris. Hatte nach der mit Auszeichnung bestandenen Gesellenprüfung sogar ein Stipendium der Handwerkskammer in der Tasche. Leider klappte es mit der französischen Metropole ebenso wenig, wie mit der deutschen: Auch aus Berlin kamen nur Absagen. Hutgeschäfte waren Raritäten geworden - und diejenigen, die es gab, konnten sich kaum noch Angestellte leisten.

„Anfang der 90er-Jahre war der Modisten-Beruf eigentlich schon vom Aussterben bedroht“, erinnert sich Bundschuh. „In den 50er- und 60er-Jahren trugen alle Hut, insbesondere die Herren. Aber als ich meine Lehre beendete, war der Modellhut war fast tot. In ganz Baden-Württemberg haben nur sechs Auszubildende die Gesellenprüfung gemacht.“.

In den Hamburger Hutateliers, dem Traditionsgeschäft der Unternehmerfamilie Beermann, erhielt Silvia Bundschuh ihre Chance: „Die Zeit war toll. Ich konnte selber Modelle anfertigen, nach meinen eigenen Entwürfen alles ausprobieren, ohne auf die Finanzen zu gucken. Damals habe ich angefangen zu experimentieren und meine eigene Handschrift zu entwickeln“.
Das Ziel war von Anfang an klar: Selbständigkeit. Gründung eines eigenen Labels. Deshalb kündige sie zwei Jahre später und tat sich 1998 mit Annette Rufeger zusammen, einer Modedesignerin, deren Handschrift ebenso klassisch-reduziert und schnörkellos ist, wie die von Silvia Bundschuh. 16 Jahre lang teilten sich die beiden eine Werkstatt am Groß Neumarkt, vergangenes Jahr bezogen sie ein Atelier in Bahrenfeld. Ihr gemeinsames Geschäft in der Bartelsstraße 2, mitten im angesagten Schanzenviertel, eröffneten sie im Jahr 2000. Zwei Jahre später wurde die Modistin.
Gut 15 Jahre betreiben Silvia Bundschuh und Annette Rufeger nun schon ihr Geschäft. Der Hut starb nicht. Popstars, wie Boy George, Udo Lindenberg, Roger Cicero und Jan Delay haben ihn wieder salonfähig gemacht. „Auch bei den Damen ist der Hut wieder alltäglicher geworden, so die Modistin. „Zum Gück!“ In den vergangenen Jahren hat sie sich eine regelrechte Fangemeinde aufgebaut. Die Kundinnen schätzen die hochwertige Verarbeitung und das cool-lässige Understatement der Stücke, die zum größten Teil Unikate sind. Oft kaufen sie gleich ein dazu passendes Kleid oder Kostüm von Annette Rufeger dazu, die ihre Kleinserien ebenfalls in Hamburg fertigt. Beide Designerinnen legen großen Wert darauf, sich gegenseitig abzustimmen: „Wir sprechen viel über Mode, inspirieren uns gegenseitig“, sagt Bundschuh. „Manchmal verwenden wir sogar dieselben Stoffe, Dann wirken die Kollektionen wie aus einem Guss“.

Die Modistin näht ihre Hüte fast ausschließlich aus englischen und schottischen Stoffen, die in den 60er-Jahren für Herrenanzüge gewebt wurden. „Die Qualität ist exorbitant“, schwärmt sie, „viel fester als die Stoffe, die man heute bekommt und die Karomuster sind toll“. Mützen und Kappen sind ihre Spezialität, ebenso die praktischen Schirmtücher, die sie neuerdings auch aus Korkstoff fertigt. „Die meisten Teile sind durchweg tragbar und passen zur aktuellen Mode“. Das ist ihr wichtig, denn sie will keine „nostalgischen Hütchen“ nähen, sondern „trendige Stücke, für Frauen in jedem Alter, die Wert auf Styling legen“.
Für den Hut der Queen hat Silvia Bundschuh erstmal Fotos im Internet studiert, schließlich tritt die britische Monarchin bei öffentlichen Anlässen nie ohne Kopfbedeckung auf – es sei denn, Sie trägt ihre Krone. Über 5.000 Hüte soll sie besitzen, selbstverständlich immer passend abgestimmt auf Mantel oder Kostüm.
Zu dem von Susi Schaumburg entworfenen rosafarbenen Mantel wählte die Hutdesignerin einen von Hand geflochtenen Sisol-Strohhut mit breitem Rand, dessen Roh-Form in Asien hergestellt wird. Sie färbte und zerschnitt die Form, versteifte den Rand mit einem Draht und nähte dann Hutstumpen und Rand asymmetrisch wieder zusammen: „Die Queen trägt ja gern asymetrisch“. Eine Woche hat die Arbeit gedauert, allein einen Tag nahm das Färben in Anspruch. „Da braucht man Fingerspitzengefühl, erklärt die Modistin, „schließlich färbe ich nicht jeden Tag Strohhüte ein.“
Die Federn zur Herstellung der Garnitur spendierte ihre Kollegin Teresa Gaschler aus der Koppel 66.
„Wir sind ja relativ viele Modistinnen in Hamburg und ich finde es super gut, dass wir nicht so einzelkämpferisch unterwegs sind“, erläutert Silvia Bundschuh. „Normalerweise arbeite ich nicht mit Federn und es macht für mich gar keinen Sinn, einen ganzen Sack davon zu kaufen“. Umso glücklicher ist sie über den Kontakt „mit mindestens zehn Kolleginnen. Wir tauschen uns aus und empfehlen uns weiter, denn jede hat ihre Handschrift und die Kundin soll den Hut bekommen, den sie auch haben will“.

Dass zu ihrem Beruf jede Menge Idealismus gehört und in den seltensten Fällen viel Geld bringt, ist Silvia Bundschuh bewusst, seit sie als Teenager ihrer kleinen Schwester den ersten Hut nähte und dabei ihre Leidenschaft fürs Putzmachen entdeckte. „Ich brauche nicht viel zum Leben, ich habe kein Auto, ich fahre Rad“, sagt sie lächelnd. „Ein Beruf, der mir Freude macht, ist mir wichtiger, als alles Geld auf der Welt“.

Weitere Informationen


Abbildungsnachweis:
Header: Silvia Bundschuh mit der „Queen“ im Panoktikum St. Pauli. Foto privat
Galerie:
01. und 02. Ein Hut entsteht
. Fotos privat
03. Silvia Bundschuh in ihrem Atelier in der Bartelsstraße. Foto: Isabelle Hofmann

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