Theater - Tanz
altonaer theater - zweimal lebenslaenglich

alt„Denk dran: Hoffnung ist eine gute Sache!" Dieser Satz zieht sich als roter Faden durch das Stück von Owen O'Neill und Dave Johns nach der Novelle „Pin-up (orig. Rita Hayworth and Shawshank Redemption)“ von Stephen King.
Regisseur Axel Schneider inszeniert als deutsche Erstaufführung im Altonaer Theater die rein männerlastige Knastgeschichte des jungen Bankers Andy Dufresne, der trotz seiner Unschuldsbeteuerungen wegen zweifachen Mordes an Gattin und deren Liebhaber verurteilt wird.

Und wie bei so vielen Theateraufführungen gibt es nicht nur ein schriftliches Vorbild, sondern auch ein filmisches: „Die Verurteilten“ (The Shawshank Redemption), aus dem Jahr 1994 mit Tim Robbins (Andy Dufresne) und Morgan Freeman (Ellis Boyd 'Red' Redding). Aber vergessen wir einmal den Film!

Es ist recht farblos auf den Bühne, denn im Shawshank Gefängnis im US-Bundesstaat Maine herrscht harte Gefängnisroutine und der Alltag ist grau und das Ambiente roh. Jeder weiß aus Literatur, Dokumentation und Film, der amerikanische Knast hat eigene Gesetze. Zwei Millionen Straftäter sitzen zur Zeit in den USA ein, Tendenz steigend, das sind ein Viertel der Häftlinge weltweit. Eine erschreckende Zahl und nur wenige werden resozialisiert. Wie soll man auch in einem Knast wie Shawshank resozialisiert werden oder überhaupt erst einmal sozialisiert. Unmöglich! Wenn vom Schließer über den Wärter bis zum Direktor alle korrupt und teilweise sadistische Verbrecher und sogar Mörder sind. Und das wissen die Häftlinge nach kürzester Zeit. Es ist ein Ort für Unglückliche und die sind gefährlich, egal auf welcher Seite der Zelle sie sich befinden. Was soll man da mit dem Begriff Hoffnung anfangen? Der ist wie eine Krankheit, die keiner mehr loswerden kann. Die Hoffnung macht hier hoffnungslos krank und zerbricht schließlich jeden. Überlebenskampf ist die einzige Chance, das Starke gewinnt, Machtsicherung und -erhalt. Was aber passiert mit jemandem, der Ideale hat und der beharrlich seine Freiheit auch im Gefängnis sucht? Die menschliche Psyche ist erstaunlich, denn sie ist stark und schwach zugleich, oder zumindest wechselt sie ihre Zustände innerhalb kurzer Augenblicke.

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Andy Dufresne (Tommaso Cacciapuoti) ist ein komischer Kautz, seltsam still, eigenbrötlerisch und intelligent. Er, der bis zum Schluss von seiner Unschuld spricht, sieht immer das Licht am Ende des Tunnels, egal in welche Situation er auch gedrängt wird. Doch so einer ist im Knast verloren. Von wegen, irgendwie arrangiert sich der Typ, auch wenn er noch so gequält wird. Er arbeitet mit seinem Finanzwissen für die Wärter und macht deren Steuererklärungen und hilft Direktor Stammas (Harald Weiler) seine Veruntreuungsgelder beiseite zu schaffen. Es entstehen Abhängigkeiten. Alles geht seinen vermeintlichen Gang bis ein neuer Knacki, Tommy (Paul Jumin Hoffmann) kommt und Andy erzählt, wer der wirkliche Mörder seiner Frau und deren Geliebten war. Der Geruch von Freiheit verändert den Menschen und verständlicher Weise träumt sich Andy jetzt erst recht raus. Aber Direktor Stammas weiß das zu verhindern und schreckt selbst vor dem Mordbefehl an dem Mithäftling und Zeugen Tommy nicht zurück. „Nachtruhe“ ist das Codewort für die Wärter. Hoffnungslosigkeit? Selbst jetzt bleibt Andy er selbst, denn er hat ein riesiges Poster von Rita Hayworth an seiner Zellenwand hängen: Hinter Rita verbirgt sich die Freiheit und das Loch in der Mauer, an dem er zwanzig Jahre lang gearbeitet hat.

Die Charaktere im Knast sind so unterschiedlich wie draußen und das zeigt das Bühnenstück meist mit Feingefühl. 'Red' (Konstantin Graudus), ist der, der die ganze Geschichte erzählt und spielt und erzählt und spielt. Und das macht Graudus in der Altonaer Inszenierung sehr überzeugend und stellenweise regelrecht mitreißend. Er spielt den abgebrühten Knastbruder, der scheinbar alles organisieren kann. Er hat einen weichen Kern, er ist es, der Zugang zu Andy findet und am Ende belohnt wird. Red wird Andys bester Freund. Ihm erzählt der Banker von seinem Traum von einer mexikanischen Pazifikstadt namens Zihuatanejo, die 'Vergessen' bedeutet, und er erzählt von dem gesparten Geld, das außerhalb der Gefängnismauern auf ihn wartet.

Brooksie Hatlen, gespielt von Hans-Jörg Fey, ist ein alter, harmlos wirkender, schmächtiger Mann, der die kleine mobile Gefängnisbibliothek unter seinen Fittichen hat und letztlich im Knast besser klar kommt als außerhalb. Bogs Diamond (Ole Schlosshauer) ist der brutale, widerliche Schwule, der nur seine Triebe kennt und mit seinen 'Schwestern' sich die Neuen gefügig macht und dann ist da noch Chester McIntyre (Matthias Pantel), ein frömmelnder Riese – immer gut beim Basketball – der das Klischee der Bigotterie dadurch aufhebt, dass er hinterfragt: „Wie kann es sein, dass es in der Bibel gleich zu Beginn heißt „es werde Licht“ und Gott schuf dann erst am 4. Tag die Sonne, den Mond und die Sterne? Hatte er drei Tage lang kein Licht?"
Bildung trifft Naivität, Großstädter trifft Landei, gebildeter Banker trifft Tagelöhner. Alle vereinen sich allerdings in einem zugleich – sie sind Täter und Opfer.

Die Geschichte hat eigentlich alles was ein gutes Stück braucht, Psychogramme der menschlichen Seelen, erschreckende Realitäten und Fiktion, Humor, Situationskomik und unwiderrufliche Ernsthaftigkeit. Man fragt sich als Theatergänger allerdings, warum gerade jetzt dieses Stück? Welche zeitlichen Bezüge braucht es?
Es mag der Premiere geschuldet sein, dass im ersten Teil alles nur etwas schleppend in die Gänge kommt, es gibt Längen und unnötige Entschleunigungen, aber das wird sich wohl mit der Zeit geben. Der Beginn könnte durchaus auch noch ein paar Härten und definierte und handfeste schauspielerische Statements vertragen. Erst nach der Pause fügen sich Geschwindigkeit und Präsenz in einen natürlichen Rhythmus und man folgt dem Stück und nicht den Schwächen.


"Zweimal lebenslänglich"
Regie: Axel Schneider; Ausstattung: Ulrike Engelbrecht
Mit: Tommaso Cacciapuoti • Norbert Eichstädt • Hans-Jörg Frey • Andreas Furcht • Konstantin Graudus • Paul J. Hoffmann • Manuel Klein • Matthias Pantel • Ole Schloßhauer • Oliver Erwin Schönfeld • Harald Weiler
Vorstellungen bis 19. Februar 2012

Altonaer Theater
Museumstraße 17
22765 Hamburg
Karten: 16 bis 30 Euro, ermäßigt 10 bis 17 Euro. Kartentelefon: (040) 3990 5870 Fax: (040) 3910 9985
Fotonachweis: Alle © Joachim Hiltmann, Ausnahme: Galerie, Portrait von Tomaso Cacciapuoti, © Markus Steffen

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