Das Stück ist nicht ganz neu. Wer es noch nie sah, hat vermutlich immerhin schon mal davon gehört: eine Handvoll ziemlich erfolgloser, frustrierter Kerle, die meist in einer Kneipe herumhängen, beschließen, ihre Sorgen dadurch zu beenden, dass sie eine Striptease-Gruppe gründen.
Am Anfang sind sie zu dritt auf der Bühne von Hamburgs Winterhuder Fährhaus. Der umtriebige Craig (Pascal Breuer), der immer eine Idee hat, wie er seinen Freunden etwas Geld abmogeln kann (und der dasselbe bei der Russenmafia versuchte, die nun buchstäblich seine Männlichkeit bedroht, wenn er nicht bald alles zurückzahlt) – der temperamentvolle Barry (Torben Krämer), ein guter Freund, aber nicht der Allerhellste, der bei der Wahl seiner Fremdworte zielsicher daneben greift – und der umfangreiche Norman (Torsten Münchow), dem es seit einem halben Jahr gelingt, seiner Frau zu verbergen, dass er arbeitslos ist.
Die drei hören von den Chippendales, den männlichen Strippern, die ihr weibliches Publikum zum Kreischen bringen und damit das große Geld verdienen, obwohl sie ihre Körper nicht völlig preisgeben. Genauso wollen sie es auch machen. Nur besser. Denn über eins sind sich die Freunde ziemlich schnell im Klaren: da ihre Figuren nicht unbedingt denen der muskelstrotzenden Athleten in den entsprechenden Glanzheftchen gleichen, werden sie zum Ausgleich etwas anderes bieten. Nämlich alles.
Zunächst müssen die Hemmungen niedergekämpft werden. Daran leidet Craig noch am wenigsten, vielleicht, weil seine Situation die verzweifelste ist. Normans Gemüt neigt von Natur aus zur Schüchternheit. Und Barry macht sich Gedanken darum, ob seine innere (und vor allem die äußere) Größe für einen derartigen Auftritt reicht.
Durch eine Anzeige gewinnen sie zwei weitere Stripper. Den motivierten Gavin (Dominik Meurer), dessen Tanzdarbietung zwar nicht überzeugt, der jedoch bemerkenswerte körperliche Tatsachen aufweisen kann – und einen Russen, Wesley oder Wassily, jedenfalls, wie er gern betont, bestimmt nicht Ivan (Eduard Burza).
Die neugegründete Gruppe nennt sich ‚Die wilden Stiere‘ und beginnt hoffnungsvoll mit dem Tanztraining. Nachdem sie sich lange genug gegenseitig über den Haufen gerannt oder aus Versehen mit dem Gürtel an empfindlicher Stelle getroffen haben, entdecken sie, dass es unter ihnen – oder vielmehr hinter ihnen – einen echten Tanzlehrer gibt! Das ist Grahame (Gisbert-Peter Terhorst), ein Fossil, das meistens griesgrämig, stumm, rauchend und trinkend, im Hintergrund ihrer Kneipe hockt. Der bringt nun Ordnung in das Gehüpfe und macht aus den fünf wilden Stieren nach und nach eine recht ansehnliche Tanztruppe (Choreografie: Angela Hercules-Joseph).
Zwei Autoren aus Neuseeland, Stephen Sinclair und Anthony McCarten, haben die Idee ausgebrütet, die 1987 in Auckland Premiere feierte und inzwischen in ihrer Heimat zur witzigsten (und erfolgsreichsten) Komödie aller Zeiten gekrönt worden ist.
Weltweite Berühmtheit erlangte der Stoff 1997 mit der Oscar-nominierten englischen Verfilmung, in der allerdings die beiden Autoren nicht genannt wurden. Was sie zu Recht erboste und eine Millionenklage nach sich zog. Damals einigte man sich außergerichtlich.
Inzwischen gibt es mindestens eine Musical-Adaption und viele Bearbeitungen. Eine davon, nämlich die in Hamburg gezeigte, hat der Regisseur Folke Braband gemacht. Auch nicht gerade gestern, sondern 2004.
Nun könnte man denken, nach all dieser Zeit sei die Produktion ein bisschen ausgeleiert. Ist sie aber nicht, ganz im Gegenteil. Pascal Breuer, seit fünfzehn Jahren als Craig unterwegs, erzählt, wie das Stück lebendig bleibt. „Wir kennen nicht nur unsere Texte auswendig, wir verändern und verbessern sie ständig. Vieles, was inzwischen auf der Bühne gesagt wird, ist zielsicheres Improvisieren. Wir arbeiten an unseren Figuren, weil wir sie im Lauf der Zeit immer intensiver kennenlernen.“
Das scheint ein gutes Rezept zu sein, denn die Dialoge sind witzig, leicht, aktuell. Manchmal ein bisschen gewagt, doch nie klamaukig. Tatsächlich hat jeder der fünf Männer eine eigene Sprache, einen eigenen Stil. Sie prahlen ein bisschen und belügen sich ein bisschen (gegenseitig oder selbst) und je mehr man sie kennen lernt, desto liebenswerter werden sie.
Das Publikum der Premiere im Winterhuder Fährhaus war zu mindestens 85% ungeheuer amüsiert, um nicht zu sagen animiert. Der Rest wusste nicht so ganz …
Neben mir beispielsweise saß ein silberhaariges Ehepaar, das an der Angelegenheit nichts zu lachen fand. Vermutlich hatten sie dem Programm so ungefähr entnommen, worum es ging. Aber sie waren wohl Abonnenten, und es war Freitagabend, und so schlimm konnte es doch nicht werden?
Wurde es aber. Jedenfalls beinah. Immerhin zeigten die Wilden Stiere, nachdem sie sich von ihren knallroten Tangas befreit hatten (Kostüm: Monika Seidl) die ungeschützte Hinterfront. Da schüttelten die Herrschaften neben mir einhellig den Kopf.
Konnte ich nicht ganz verstehen. Es waren ausgesprochen hübsche Popos. Alle fünf.
„Ladies Night“
von Stephen Sinclair und Anthony McCarten, in einer Fassung von Folke Brabandzu sehen bis 27. Oktober 2019 im
Winterhuder Fährhaus, Hudtwalckerstraße 13, in 22299 Hamburg
Eine Ko-Produktion des Fritz Rémond Theaters in Frankfurt und der Komödie Winterhuder Fährhaus
Regie: Folke Braband
mit Pascal Breuer, Torsten Münchow, Torben Krämer, Gisbert-Peter Terhorst, Eduard Burza und Dominik Meurer
Weitere Informationen
Abbildungsverzeichnis: Alle Fotos: © Dennis Häntzschel
Header: Torben Krämer, Pascal Breuer und Torsten Münchow in „Ladies Night”
sowie Pascal Breuer, Dominik Meurer, Eduard Burza, Torben Krämer und Torsten Münchow in „Ladies Night”
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