Hype um Haim: Mädels-Trio aus Kalifornien mischt den Pop-Rock auf
- Geschrieben von Mirjam Kappes -
Wenn jemand den Titel als meist gehypte Band des Jahres 2013 verdient, dann ist es Haim.
Das Trio aus Los Angeles, bestehend aus den Schwestern Este (27), Danielle (24) und Alana (22), hat Kritiker weltweit von sich begeistern können. Auf der aktuellen Europa-Tour „Days Are Gone“ machte Haim auch in Hamburg Halt – ein Grund mehr, die Band einmal genauer unter die Lupe zu nehmen.
Haim haben einen regelrechten Senkrechtstart durch die Decke hingelegt. In den letzten zwei Jahren hat die Band nicht nur auf so renommierten Festivals wie Glastonbury auf der Hauptbühne gespielt, sie wurden auch bei dem BBC-Voting „Sound of 2013“ auf Platz Eins der vielversprechendsten Musik-Acts des Jahres gewählt und haben inzwischen einen Vertrag beim Label „Roc Nation“ von Rapper Jay Z in der Tasche. Und das alles wohlgemerkt noch vor dem Release ihres Debütalbums „Days Are Gone“, das Ende September 2013 herausgekommen ist und dabei in der Erscheinungswoche sogar Pop-Ikone Justin Timberlake beim Rennen auf die Spitzenposition der britischen Albumcharts schlagen konnte. Musikkollegen wie Katy Perry, One Direction und Kesha sowie der britische Premierminister David Cameron haben sich bereits als bekennende Haim-Fans geoutet.
Es wäre also nicht übertrieben zu sagen, dass für Haim die Erfolgskurve gerade ganz steil nach oben geht. Dabei überraschen die drei Schwestern aus Kalifornien mit einem Sound, der sich zwischen Indie-Pop, Oldschool-Rock, R&B und Folk bewegt und dabei gleichzeitig fleißig Elemente der eigenen Pop-Jugend der 90er-Jahre mit einbaut. „Es ist schwer zu erklären, weil wir unser ganzes Leben in unseren Sound mischen. Als wir klein waren, waren wir in einer Band mit unseren Eltern, die Rochinhaim hieß, und wir wuchsen mit der Musik von den Rolling Stones, Tina Turner und viel von Shaka Khan auf. Aber wir sind auch in den Nineties aufgewachsten, der besten Ära für Pop. Die Stimmen von Britney, Christina, N Sync, Backstreet Boys, Destiny’s Child und Mariah Carey begleiteten mich als Kind“, so versuchte es Haim-Schwester Alana im Interview mit der britischen GQ zu fassen.
Ein Musik-Mix, der Hit-Garantie zu haben scheint. Mit Songs wie „The Falling“, „Don’t Save Me“, „Forever“ und „The Wire“ haben sich Haim gleichermaßen in die Herzen von Fans und Kritikern gespielt. Dabei scheinen die drei Mädels den Spagat zwischen Anpassen und Anecken genau richtig hinzubekommen: Mit langen Lockenmähnen und knallrotem Lippenstift stürmen sie die Bühne, die E-Gitarren fest im Griff. Dabei sind Haim keine hauchzart-süß singende Girlband, sondern multi-instrumentale Rock-Musikerinnen – alle drei Geschwister spielen Gitarre, zusätzlich beherrscht Danielle das Schlagzeug, Alana Keyboard und Percussions und Este den Bass, wobei letztere bei ihrer Performance ihr Gesichts stets so angespannt verzieht, dass es ihr bereits den Spitznamen „Estes Bass Face“ eingebracht hat. Eines ist klar: Die drei Schwestern scheren sich nicht um herkömmliche Konventionen, sie sind ruppig, laut und fallen auf, kratzen und schrammen energisch auf ihren Instrumenten herum und beanspruchen ihre Stimme bis zur Heiserkeit, auch wenn sie hin und wieder ganz sensible Töne in ihre Musik mischen.
In ihrer musikalischen Botschaft bleiben die Kalifornierinnen ebenfalls mehrdeutig. Ganz klar, hört man sich die elf Tracks starke Debütalbum „Days Are Gone“ an, dann geht es um die starke, emanzipierte Frau, die sich von den Typen gar nichts sagen lässt. Liebeskummer wird weggelacht, der Kopf hochgehalten, und angesichts von Schwierigkeiten aufzugeben kommt überhaupt nicht infrage. Dabei gibt es aber kein belehrendes Finger-Gehebe oder anstrengenden Emanzen-Krawall, sondern eher tiefsinnig-nachdenkliche Texte, die auch vor weichen Seiten und Verletzlichkeit nicht zurückschrecken und dennoch mit buntem Pop-Synthesizer-Beat so leicht und unbeschwert daherkommen, dass sie auch bei einer breiteren Zuhörerschaft Anklang finden dürften.
Das Rezept scheint zu wirken: Bei ihrem Auftritt im proppevollen Hamburger „Grünspan“ konnte Haim sowohl die jungen Teenie-Mädels zum Kreischen bringen, als auch die deutlich gesetztere Zuhörerschaft der vierzig Jahre plus begeistern. Dazwischen fand sich alles von Festival-T-Shirts tragenden Rockern zum „Fuck the Patriarchy“-schreienden weiblichen Fangirls bis zur örtlichen Hipster-Fraktion. War dann ja auch egal, denn spätestens als die drei Haim-Ladies auf die Bühne kamen und ihren ersten Hit anstimmten, gab es für die Menge kein Halten mehr. Dabei überzeugten Este, Danielle und Alana mit einer Live-Performance, die stimmlich stark mit dem rockig-dreckigen Gitarren-Sound locker mithalten konnte, wobei dieser beim Auftritt eindeutig noch eine Ecke rauher und rücksichtsloser daher kam als die vergleichsweise cleane Abmischung auf „Days Are Gone“. Dabei blieb Haim entspannt, sympathisch und publikumsnah: „Ey, unser Konzert heute wäre fast abgesagt worden, weil der Fluganbieter unsere komplette Ausrüstung verschlampt hat. Aber wir canceln doch nicht unser Konzert bei euch in Hamburg“, rief Danielle der Menge zu – und hatte dabei endgültig die Herzen der Anwesenden gewonnen.
Eine gute Stunde wurde gehopst, geschwitzt und geschrien, dann hatten Haim alle ihre Songs zum Besten gegeben und verschwanden im Backstage-Bereich. Kein Wunder, schon einen Tag später stand der Gig in Köln an. Wer Haim jetzt noch erwischen will, hat wahrscheinlich Pech, die diesjährigen Europa-Tournee-Daten sind restlos ausverkauft. Allerdings kommen Haim noch einmal im Februar 2014 in unsere Nachbarländer – da heißt es schnell sein beim Ticketkauf.
Weitere Informationen zu Haim
Zum Album „Days Are Gone“
Hörbeispiele
Musikvideo 1 und Musikvideo 2
Zu den Tourdaten
Fotonachweis: (c) Big Hassle
Header: Haim
Galerie:
01. Album Cover
02. Este, Danielle und Alana
03. Haim
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