Sonderkammerkonzert mit Musikern der Philharmoniker Hamburg: Jubel für Startenor Klaus Florian Vogt, eine etwas unrunde Posthorn-Serenade und eine temperamentvolle Dvorak-Suite. Auch der Kleine Saal der Elbphilharmonie spielt nur mit, wenn man mit ihm spielt.
Strahlender Sommersonntag, auf dem Vorplatz der Elbphilharmonie ist ordentlich was los. Konzertbesucher zwischen Reiseleitern, die ihren Gruppen die Elbphilharmonie in allen möglichen Sprachen erklären, Hotelgäste, die Rollkoffer im Zickzack durch die Menge navigieren. Eine stattliche Schlange, bevor es per Tube zur Plaza hinaufgeht. Das Hamburger Weltwunder vibriert lebensfroh.
Ruhiger wird es oben, vor dem Aufgang zu Kleinen Saal. Sonderkammerkonzert der Philharmoniker, mit dem Weltklasse-Tenor Klaus Florian Vogt. Eng wird’s erst im Foyer, denn die Türen gehen spät auf, Zeit zum freundlichen Plausch unter Musikfreunden, der drinnen, eingerahmt von den hölzernen Akustikwellen der Wandverkleidung, fortgesetzt wird. Von weitem betrachtet wirkt die eingefräste Struktur unscharf; wie ein Gemälde von Gerhard Richter verwehrt es dem Auge, scharfe klare Konturen wahrzunehmen.
Doch was das Auge an Schärfe verliert, gewinnen die Ohren gleich bei Mozarts einleitender Posthorn-Serenade hinzu. Das philharmonische Oktett klingt anfangs doch recht zerfasert, man hört öfter acht Einzelstimmen als einen geformten Ensembleklang, die drei Bläser Christian Seibold, Klarinette; Olivia Comparot, Fagott; Bernd Künkele, Horn) kommen viel lauter beim Publikum an als die fünf Streicher (Annette Schäfer, Imke Dithmar-Baier, Violine; Thomas Rühl, Viola; Thomas Tyllack, Cello; Stefan Schäfer, Kontrabass), und selbst winzige Intonationsprobleme werden unbarmherzig hörbar. Der Saal reflektiert aber nur, was und wie gespielt wird – die Seele der Mozart-Serenade wird kaum hörbar. Immerhin wird der kleine Spaß des Hornisten, als Postbote verkleidet auf dem Posthorn zu spielen, dankbar beschmunzelt, und die Zuhörer geizen nicht mit Applaus.
Aber da warten sowieso alle schon auf den Star der Matinee: Klaus Florian Vogt, selbst früher mal philharmonischer Hornist, bevor er sich in Richtung Tenor auf den Weg machte, der heute in den großen Opernhäusern der Welt gern gesehener Gast ist.
Mahlers vier „Lieder eines fahrenden Gesellen“ zu Gedichten des Komponisten, die von einer tief unglücklichen Liebe zu einer jungen Sängerin in Kassel angestoßen wurden. Weltschmerz pur, den es von Mahler in der Fassung für Klavier und Gesangsstimme, aber – bekannnter – auch in der mit Orchesterbegleitung gibt, die wohl die meisten im Ohr haben. Das philharmonische Oktett spielte eine dritte Version, arrangiert von Andreas N. Tarkmann, Jahrgang 1956. Schwer abgespeckt im Volumen, ohne dass viel fehlte. Im Gegenteil: Auch hier machte sich anfangs die eher orchestral angesetzte Lautstärke der Bläser störend bemerkbar, die Mahlers fein gewebte verschliffene Klangstrukturen eher grob zusammensetzte. Und Klaus Florian Vogts große Stärke, das feine Piano und Pianissimo, zu größeren Lautstärken herausforderte.
Die Elbphilharmonie liefert den Klang einer neuen Zeit
Die kann er natürlich locker, so wie die dramatische Steigerung beim „Glühend’ Messer“, wo nicht nur sein „Oh weh!“ durch Mark und Bein fährt. Erst unter dem sanften Lindenbaum im vierten Lied hatten sich das Ensemble und der Sänger, so schien es, wirklich gefunden, man hörte mehr auf die Stimme, gab ihr größere dynamische Freiheiten im dezenten Bereich, so dass Vogt ausspielen konnte, was seine Kunst ausmacht: klarste Artikulation, mühelose Höhe, seelenvolle Interpretation.
Entfesselter Applaus, Bravi-Rufe und als Zugabe aus Schuberts „Schöner Müllerin“ die „Ungeduld“ – die tongewordene triolendrängende pochende Hoffnung des fahrenden Müllergesellen, bevor die Müllerin den feschen Jäger entdeckt – Tenorglanz pur, mindestens so hell wie die Sonne draußen.
Zum Abschluss, und da passte dann endlich alles und man hörte tatsächlich ein Ensemble, Dvoraks „Tschechische Suite op. 39“, basierend auf Volksmusik, schwungvoll, derb, temperamentvoll, mitreißend und fein austariert zwischen den Instrumenten – eine wahre Lust, da zuzuhören.
Als Fazit des in der Summe gemischten Instrumentaleindrucks bleibt haften, dass auch der Kleine Saal der Elbphilharmonie eine hochtransparente Akustik liefert, die den Musikern eine Menge Feinarbeit abfordert, bevor es gut und rund zusammenklingt. Gnädige Klangwolken gibt es hier nicht, was auch nur Spürchen von unvollendet ist, klingt hier ganz direkt so. Niemand wird davon ausgehen, dass das immer und sofort anders wird. Das erfordert viel Erfahrung mit den neuen Gegebenheiten. Schnelle Schuldzuweisungen – die Musiker, der Saal, der Akustiker – helfen niemandem. Die Elbphilharmonie liefert den Klang einer neuen Zeit. Und sie fordert ihn auch.
Abbildungsnachweis:
Header: Hannes Rathjen
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