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Hamburg Kreativ Gesellschaft Egbert Rühl

Egbert Rühl leitet seit dem 1. März 2010 die neu gegründete Hamburg Kreativ Gesellschaft, ein Unternehmen der Freien und Hansestadt.

Welche Ziele und Dienstleistungen diese Gesellschaft der Kreativbranche in Hamburg zukommen lassen will und kann, darüber sprach Claus Friede ausführlich mit Egbert Rühl.


Claus Friede (CF): Wie ist Ihr erster Eindruck von Hamburg?

 

Egbert Rühl (ER): Ich kenne sehr viele deutsche Städte, manche nur oberflächlich, manche ein bisschen besser. Hamburg war neben meiner Heimatstadt Frankfurt/M. schon immer die Stadt, die ich besonders spannend fand. Ich wollte beruflich weder nach Berlin, noch nach Köln.
Das, was ich immer als Projektion von dieser Stadt hatte, bestätigte sich. Hamburg hat eine sehr hohe Lebensqualität. Wir haben eine schöne Wohnsituation, ich kann an der Elbe spazieren gehen. Das ist wirklich ein bisschen wie Urlaub, mit Strand und allem drum und dran.
Ich empfinde die Hansestadt als eine sehr offene und durchlässige Stadt, in der ich schnell mit vielen Leuten ins Gespräch gekommen bin. Diese Durchlässigkeit und Freundlichkeit ist sehr angenehm. Es heißt immer, die Norddeutschen seien sehr verschlossen, das erlebe ich nicht. Ich bin sehr schnell in Zirkel hinein gekommen – vielleicht gilt das aber auch nur für mich, mit dieser besonderen Aufgabe. Ich bin sofort mit Menschen aus ganz unterschiedlichen Verhältnissen, Klassen und Einkommenssituationen sehr offen ins Gespräch gekommen. Man ahnt jedoch auch, dass es einige verschlossene Türen gibt, die sich vielleicht einem Zugereisten nie ganz oder erst viel später öffnen werden.
Die erwähnte Durchlässigkeit hat allerdings auch eine Gegenseite: Aussagen werden entsprechend fix transportiert. Schnell sind Botschaften und Gerüchte im Umlauf, wie bei der ‚Stillen Post’. Man lernt, dass man darauf achten muss, mit wem man über was redet.
Ich finde, dass Hamburg in manchen Teilbereichen sehr selbstreferentiell ist. Das gilt weniger für die Stadt an sich als für bestimmte Gruppen, die denken, sie wären der Nabel der Welt und kreisen dann tatsächlich nur um sich selbst. Sie meinen, die Tatsache, dass man in einer so großen Stadt wie Hamburg lebt, würde schon ausreichen, um nicht mal woanders hinschauen zu müssen. Das ist meines Erachtens ein Fehler!
Ich würde mir wünschen, dass die öffentliche Diskussion und ich meine eigentlich damit eine mediale Diskussion, eine andere Qualität hätte. Es ist manchmal etwas ernüchternd, mit welchen einfachen Mechanismen hier Aussagen und Prozesse wiedergegeben werden und wie reflexartig darauf reagiert wird. Das hätte ich in einer Stadt wie Hamburg nicht erwartet. Aber vielleicht hat das auch damit zu tun, dass ich noch nicht lang genug hier bin und noch nicht alle entscheidenden Leute kenne.

CF: Wenn Sie sagen „selbstreferentiell“, bezieht sich das auf den künstlerischen- wie beispielsweise auf den wirtschaftlich-merkantilen Bereich? Kann man überhaupt sagen, dass das eine gesellschaftliche System mehr in dieser Richtung belastet ist als andere?

ER: Nein, das würde ich nicht behaupten, das ist für alle Bereiche gültig. Das gilt übrigens auch für die Reflektion über die eigene Position und der daraus entstehenden legitimen Widersprüchlichkeit. Die Widersprüche zu thematisieren findet nicht statt, obwohl es eigentlich überhaupt nicht problematisch ist, denn alle Menschen haben widersprüchliche Positionen in sich. Niemand ist sozusagen nur konsequent, und es wäre auch ganz furchtbar wenn es so wäre. Jeder kann lernen und sich verändern. Aber manchmal werden, mit einem fragwürdigen Selbstbewusstsein, vollkommen widersprüchliche Behauptungen vorgetragen – von derselben Person, mit derselben Inbrunst. Ein wenig mehr darüber nachzudenken würde vielleicht helfen. Das gilt auch für die Künste.

CF: Gibt es denn irgendetwas was sie aus Mannheim mitgebracht haben, von dem sie denken, das täte Hamburg auch ganz gut?

ER: Also ehrlich gesagt, macht Mannheim eine ziemlich kluge Politik. Mannheim hat in den zehn Jahren, in denen ich dort war, eine unglaubliche Entwicklung durchgemacht. Die Stadt ist wirklich vorangekommen. Dort ist offensichtlich viel richtig gemacht worden, auch wenn sich das natürlich in der Stadt vielleicht immer noch anders anfühlt, als es von außen wahrgenommen wird. Ich weiß nicht, ob diese kluge Politik Mannheims in Hamburg überhaupt sichtbar ist. Letztlich bin ich mir allerdings auch nicht sicher, ob eine Stadt wie Hamburg wirklich davon lernen kann, weil die Verhältnisse anders sind. Hamburg ist sechsmal größer als Mannheim.
Als ich nach Mannheim kam, war es eine Stadt, in der sich selbst die Bewohner dafür geschämt haben, dass sie von dort kamen! Man hat das am besten verschwiegen. Andere äußerten sich mit trotzigen Stolz, nach der Devise: „Mannheim ist furchtbar, aber ich stehe dazu“. Das hat sich mittlerweile komplett geändert. Auch das ist nicht vergleichbar mit Hamburg.


CF: Ich empfinde das betonte Selbstreferentielle hier auch öfters als schwierig. Manchmal steht sich Hamburg damit selbst im Weg. Auch in Bremen wird beispielsweise vieles sehr gut gemacht, aber da schaut man ungern hin und denkt: „Ach, Bremen...“

Jetzt leiten sie seit einigen Monaten die Kreativ Gesellschaft. Ich habe gehört, dass Sie auf den Begriff der ‚Gesellschaft’ bestanden haben. Ich finde das sehr bemerkenswert, warum haben sie darauf bestanden? Warum nicht der Begriff der Agentur wie ursprünglich von Seiten Hamburg postuliert?

ER: Letztendlich gibt es zwei Gründe: Der eine ist, dass ich den Begriff ‚Agentur’ für ganz falsch konnotiert halte. Und der andere, dass ich sofort wahrgenommen habe, dass sich die Auseinandersetzung mit dem Projekt der Kreativagentur unter anderem auch an dem Begriff Agentur gerieben hat.
Die Diskussion über den Begriff war notwendig und legitim. Das Beste, was wir daraus machen konnten war, das Projekt ‚Hamburg Kreativ Gesellschaft’ zu nennen. Und ich finde ‚Gesellschaft’ insofern auch einen guten Begriff, weil er in seiner doppelten Wahrnehmbarkeit darauf verweist, das hinter dem merkantilen noch eine andere Idee stecken kann.

CF: Auch der Begriff des Kreativen ist ja durchaus umstritten. In manchen künstlerischen Genres ist dieser sogar negativ besetzt. „Ich will kein ‚Kreativer’ sein!“, heißt es und nicht nur bei denjenigen, die aus den Haltungen der 1960er- und 70er-Jahre heraus argumentieren. Dieser Begriff in der Konnotation zur Wirtschaft und zur Branche, was bedeutet der für Sie?

ER: Ich habe neulich eine öffentliche Diskussion gehört, die über das Kulturbüro NRW zum Thema Kreativwirtschaft geführt werden sollte. Es saßen unter anderem der Regionalbeauftragte der Bundesregierung für NRW und auch Christine Ebeling von „Komm in die Gänge“ mit am Tisch. Es war von Anfang an klar, dass es keine Definition über die verwendeten Begriffe gab. Da redete der eine über Kreativität, der eine über Künstler, der dritte über Kultur und jeder sprach nur für sich und schimpfte auf diesem Hintergrund seines eigenen Begriffs. Miteinander reden war irgendwie gar nicht möglich!
Kreativität ist ein großer und diffuser Begriff. Auch ich finde es definitorisch sehr schwierig und nicht nur weil er gerade inflationär benutzt wird. Ich würde mir fast wünschen, wir könnten den Begriff zwei Jahre liegen lassen, um ihn dann wieder in die Hand zu nehmen und zu schauen, was davon übrig geblieben ist.
Ich spreche lieber darüber, was Kultur, was Kunst und was Kreativwirtschaft ist. Was die Kunst betrifft, bin ich ein großer Verfechter einer eher autonomen und authentischen Kunst. Da bin ich gewissermaßen ein Fundamentalist. Die Kunst darf nicht instrumentalisiert werden. Sie steht für sich und hat im besten Falle auch jene eigene Kraft, die sich immer ein Stück weit einer Erklärung entzieht und etwas neues schafft. Das macht sie eigentlich auch aus. Sie kreiert eine eigene Wahrnehmung, die man mit allen Sinnen empfinden kann, also auch intellektuell verstehen kann, aber vielleicht weniger beschreiben kann. Also das ist mein Kunstbegriff.
Aber dann gibt es den Kulturbegriff, der eher Zivilisation meint und den Begriff der Kreativwirtschaft mit einer klaren Definition was das ist. An der halten wir uns in unserer Arbeit.
In Hamburg gibt es dieses neue Leitprojekt „Kreatives Hamburg“, da wird es dann wieder schwammig und ich bin sehr froh, dass wir dafür nicht zuständig sind. Wir sind zwar ein wichtiger Teil des Leitprojektes, aber zu planen, wie wir eine kreative Stadt werden, das finde ich vermessen und damit wären wir sofort überfordert.
Ich weiß aber auch, dass, wenn wir einen guten Job in der Kreativwirtschaft machen und am Ende dann die Kunst und das Lebendige noch deutlicher sichtbar sind, dann hilft das, zu einer kreativen Stadt zu kommen. Stärkung der Kreativwirtschaft ist ein Baustein dafür.

CF: Ich erinnere mich gut daran, als verschiedene Bundesländer sich dran machten, Kulturwirtschaftsberichte in Auftrag zu geben. Allerdings ohne wirklich vergleichbare Parameter, denn die Definition, wer und was zur Kreativwirtschaft gehört, wurde individuell entschieden. Während in einigen Berichten die Bereiche Film und Architektur nicht auftauchten, waren es in anderen Kunst oder Musik. Gibt es da denn jetzt eine einheitliche Definition?

ER: Zwei Dinge gibt es dazu zu sagen: Zum einem, es gibt eine einheitliche Definition des Bundes, präziser der Wirtschaftsministerkonferenz, aber beispielsweise keine auf EU-Ebene, da herrscht nach wie vor das von Ihnen erwähnte Wirrwarr. Es gibt nun auch in den Ländern eine einheitliche Definition von elf Teilmarken, die identisch der des Bundes sind. Man scheitert allerdings auch dort, die Kräfte dieses Wirtschaftszweiges statistisch zu erfassen. Was in der Branche der Chemie oder der Automobilindustrie messbar und vergleichbar ist, trifft auf die Kreativwirtschaft, trotz länderübergreifendem Leitfaden, nicht oder nur teilweise zu. Das liegt daran, dass Unternehmen im Kreativbereich oft unterhalb der statistischen Messbarkeit liegen, sie sind zu klein. Auch die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung ist nicht die Regel, sondern die Ausnahme. Dazu kommt, dass die Kreativwirtschaft sich in verschiedene Sektoren spaltet, zum Beispiel dem öffentlichen Sektor: Institutionen, die sich im Besitz der öffentlichen Hand befinden wie Theater und Museen. Zwar kann hier die sozialversicherungspflichtige Arbeit gemessen werden, aber die Wertschöpfung nicht und taucht entsprechend in der Statistik wenig auf, wie das beim zweiten Sektor vergleichbar ist, den Vereinen und Stiftungen. Über den weiß man auch zu wenig und erfasst ihn nicht vollständig. Selbst der gewerbliche Teil kann nur annähernd erfasst werden, wie ich eben beschrieb.
Wir sind in der Hamburg Kreativ Gesellschaft neben der Fokussierung auf Unternehmen auch auf Existenzsicherung unserer Klientel aus, was in der Bundesdefinition fehlt. Wir können dabei helfen, dass Künstler besser von ihrer Kunstproduktion leben.

CF: Welche Prämissen müssen geschaffen werden und wo liegen die Schwerpunkte ihrer Tätigkeit als Geschäftsführer der Kreativ Gesellschaft?

Hamburgs neue Kreativ Gesellschaft - ein Gespräch mit Egbert RühlER: Eine Prämisse wäre: Wir sind ein Dienstleistungsunternehmen und dann gut, wenn wir die Bedürfnisse unserer Kunden erfüllen. Wir haben uns vier Arbeitsfelder gesetzt und beginnen jetzt mit unseren Kunden darüber zu reden, wo wir ansetzen können. Wir brauchen das Feedback und die Hinweise unserer Kunden damit wir Situationen verbessern können, die wir im Moment noch gar nicht sehen. Die vier Felder sind: Erstens Beratung, Qualifizierung und Professionalisierung sowie Vernetzung. Da haben wir den Markt einigermaßen sondiert und festgestellt, dass es in der Bundesrepublik und auch in Hamburg einen sehr verzerrten Beratungsmarkt gibt, der davon geleitet ist, Personen aus dem Arbeitslosengeld II oder Hartz IV in die Selbstständigkeit zu vermitteln. Dafür gibt es in Deutschland sehr viel Geld. Dies ist aber für unsere Klientel überhaupt nicht relevant, die sind und empfinden sich nicht arbeitslos. Die haben auch keine Idee davon, ein Unternehmen zu gründen. Wir sind nun im Gespräch, mit professionellen Einrichtungen Angebote zu schaffen. Auf der anderen Seite müssen wir unseren Akteuren vielleicht auch näherbringen, etwas unternehmerischer zu denken. Aber am Ende kann das auch falsch sein. Muss ein Musiker auch etwas über Märkte, Steuer und Recht wissen? Ich weiß es nicht. Warum entwickeln wir also keine Systeme, die eine Arbeitsteilung zur Verfügung stellen und fragen uns, wie wir dies dann finanziert bekommen? Das wäre ein anderer Weg.
Viele mit denen ich hier bislang sprach meinen, man müsse den Künstlern beibringen wie sie all das selbst machen und organisieren. Ich habe da kein endgültiges Urteil.

CF: Dieses berufliche, unternehmerische Wissen könnte aber bereits auch Teil der Ausbildung an künstlerischen Hochschulen sein...

ER: Absolut richtig, aber genau daran arbeiten wir. Ich möchte betonen, dass wir Angebote schaffen. Wer sie annehmen möchte, tut dies, wer nicht, lässt es bleiben. Ich verstehe, wenn jemand unsere Angebote nicht aufnehmen möchte, weil das Konstrukt des neuen Wirtschaftszweiges Kreativwirtschaft von oben nach unten entstanden ist. Es gibt gute Gründe sich auch kritisch mit uns auseinanderzusetzen. Die schlimmste Haltung finde ich allerdings, wenn jemand sagt: Das interessiert mich nicht. Dennoch würde ich für unsere Arbeit werben. Wir wollen die Leute nicht mit ihrer Kunst alleine lassen.
Was nun die Hochschulen angeht, so haben wir zwei Zielgruppen, für die wir tätig sind, nämlich die kreativwirtschaftlichen Akteure, die es in Hamburg bereits gibt und für jene, die sich in Hamburg ausbilden lassen. Wir haben bereits nach kurzer Zeit mit allen Hochschulen Gespräche geführt und sind dabei, Formate zu entwickeln, die nach den Bedürfnissen ausgerichtet sind. Im besten Fall bleiben nämlich dann die, die sich hier ausbilden lassen auch in der Stadt, und wir helfen ihnen bei der Existenzgründung.

CF: Wir sind nun bei den Hochschulen; lassen Sie uns wieder zurück zu den Schwerpunkten der Kreativ Gesellschaft kommen...

ER: Stimmt, da gibt es noch viel mehr zu sagen. Nach dem Bereich Beratung und Qualifizierung ist die zweite Säule der Bereich der Immobilien. Das ist der Hamburger Geschichte geschuldet. In Hamburg gibt es für Kreativschaffende wenige preiswerte und gute Immobilien. Wir wollen bald das Gegenteil behaupten können, aber auch das ist ein mühsames Geschäft und ist interessanterweise mit der öffentlichen Hand viel anstrengender als mit den privaten Immobilienbesitzern, die jetzt gerade beginnen, sich uns gegenüber zu öffnen. Unsere wichtigste Aufgabe ist Vertrauen zu schaffen. Es gibt den Vorwurf an unsere Kunden, sie seien nicht vertragstreu und so etwas wie Gängeviertel darf es kein zweites Mal geben. Das sind die Bedenken. Die städtischen Immobilienverwaltungen empfinden das Gängeviertel als herben finanziellen Verlust für ihre eigenen Gesellschaften und entsprechend wird dann agiert. Auf dieser Ebene wird nicht das große Ganze gedacht, sondern das kleine Eigene.
Ich sage zu diesen Immobilienpartnern: „Unsere Kunden sind vertragstreu, wenn ihr aber den Markt so eng macht, dann zwingt ihr die Künstler dazu an dem festzuhalten, was sie ergattert haben. Wenn ich im ‚Frappant’ sitze und habe gar keine Alternative – was sollen die Akteure da machen? Im Zweifelsfall bleiben sie. In dem Moment wo ihr anfangt den Markt zu öffnen und man lernt in Hamburg wieder, dass es Alternativen gibt, dann schafft man auch nicht diese Not.“ Mit den Argumenten dringen wir noch nicht so richtig durch, aber wir versuchen es weiter in der Richtung. Wir haben aber auch schon Partner bei denen der Nettokaltpreis bei 3 Euro anfängt, was wir für einen guten Preis halten. Es gibt vielleicht dann auch ein paar Nachteile, was Ausstattung und Lage betrifft, aber wir versuchen dies nun auf den Markt zu bringen. Wir haben übrigens weniger Probleme Atelierräume zu finden als Veranstaltungsräume und Proberäume für Musiker. Hier haben wir noch keine befriedigende Antwort bisher.
Unser drittes Aktionsfeld ist die Frage der Finanzierung. Wo kommt das notwendige Geld her? Ein großes Problem, denn alle Modelle, die für den Mittelstand existieren, greifen bei unseren Kunden nicht. Es gibt nun zum ersten Mal ein sogenanntes Mikrokredit-Programm der Bundesregierung – 100 Millionen für drei Jahre. Drei Agenturen verwalten Gelder davon in Hamburg. Wir sind auch an diesem Punkt dabei, Drittmittel und Förderprogramme zu akquirieren und sprechen mit den Förderern über Kriterien, um diese für unsere Klientel erreichbar zu machen, auch ohne Sicherheiten. Ein für mich zwar mühsames, aber zentrales Geschäft.
Und schließlich der vierte Aktionsstrang, mit dem wir uns bislang noch nicht beschäftigen konnten, sind Fragen nach Urheber- und Schutzrechten. Hier liegt der Fokus, wie man den schöpferischen Akt und geistiges Eigentum flexibel schützen kann.

CF: Das sind sehr viele Aufgaben, die zu bewältigen sind. Sie haben jedoch ein recht kleines Team, sechs Mitarbeiterinnen. Mir fällt gerade auf, dass Sie mit jungen Frauen Ihr Team bestückt haben – vielleicht symptomatisch, sie sind gut ausgebildet, teamfähig, leistungsbereit...

ER: Ja, in der Kreativwirtschaft ist der Frauenanteil sehr hoch, auch wenn das nicht für alle Bereiche gilt, zum Beispiel in der Musik. Ich war gerade auf einer Veranstaltung des VUT (Verband unabhängiger Musikunternehmen e.V.), da waren nur Männer. Es scheint so, als ob das Musikgeschäft männlich sei, während ja auf den Bühnen der Frauenanteil stark gewachsen ist. Und ich glaube bei den Architekten ist es ähnlich.
Unsere Kapazitäten sind begrenzt, aber wir wollen eben auch viele Kooperationen schaffen. Der direkte Kontakt mit unseren Kunden steht im Vordergrund. Wenn die Kapazitäten überhaupt nicht mehr ausreichen sollten, dann müssen wir mit der Stadt reden.

CF: Die Kreativ Gesellschaft ist in ein städtisches Geflecht eingebunden, Sie müssen jemandem Rechenschaft ablegen und Ihre Spielräume haben eben auch Begrenzungen. Ihre erste Broschüre weist den roten Schiffsrumpf auf – ein deutliches Signal, wer dahinter steckt und schnell ist man beim Thema der Marke Hamburg. Wir wissen, dass Kulturschaffende in dieser Stadt damit ihre Probleme haben oder zumindest sehr vorsichtig sind – allein durch diese visuelle Konnotation. Welche Rolle spielt dies für Sie und wo sehen Ihre Begrenzungen?

ER: Wir sind ein Unternehmen der Freien und Hansestadt Hamburg, wir verschweigen das natürlich auch nicht. Wir sind mit dem roten Bug oder Schiffsrumpf deshalb nicht glücklich, weil wir diesen für ein sehr dominantes und unflexibles Zeichen halten, was eher Zwang als Freiwilligkeit ausdrückt. Es gibt viele Hamburger Einrichtungen, die sich lange und erfolglos dagegen gewehrt haben, um sich nicht unter diese Markenarchitektur subsumieren zu lassen. Das Problem ist nicht die Markenarchitektur an sich, sondern wie flexibel die Marke ist. Kann man auf sie reagieren und auf wen zahlt sie ein...
Wir stehen in dem Geflecht, kämpfen aber um eine große Autonomie. Am Ende haben wir aber jemanden der uns bezahlt und der kann eben auch Einfluss nehmen auf das was wir tun. Im Moment spüren wir keinen Einfluss. Mein Gefühl ist, die BKM (Behörde für Kultur und Medien) nimmt unsere Aufgabe sehr ernst, sie wollen, dass wir der Anwalt der Kulturakteure sind. Aber natürlich gibt es auch Konflikte, die wir mit anderen behördlichen Einrichtungen führen und da haben wir die klare Position unserer Kunden und die vertreten wir auch.


Egbert Rühl
Geboren 1958 in Frankfurt am Main. Er studierte von 1977 bis '85 Geschichte und Soziologie an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität in Frankfurt. 1985 bis '88 arbeitete er zunächst frei beim Hessischem Rundfunk, anschließend bei den Städtischen Bühnen Frankfurt und wurde Manager des Frankfurter Kurorchesters. Danach gründete er ein Büro für Kulturmanagement, Organisation von internationalen Tourneen, PR-Kampagnen, Festivals und Betreuung von Künstlern.
1999 bis 2001 war er Geschäftsführer der Kultur-Labor gGmbH in Brandenburg/Havel und zog dann nach Mannheim, zunächst als Leiter, dann als Alleingeschäftsführer der Alten Feuerwache Mannheim gGmbH. Seit 1. März 2010 ist er Geschäftsführer der Hamburg Kreativ Gesellschaft mbH.

Header-Foto: Hamburg Kreativ GmbH
Das Gespräch wurde am 13.10.2010 geführt.

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