Wann begann die Zeit? Was war vor dem Urknall? Wie kam das Leben auf die Erde? Schon im Aufzug zur interaktiven Ausstellung „Wie alles begann - Galaxien, Quarks und Kollisionen“ im 3. Stock des Museums der Arbeit werden wir mit den existenziellen Fragen der Menschheit konfrontiert.
Die in Wien konzipierte Schau, die in Hamburg mit der Uni Hamburg und dem DESY realisiert wurde, wartet denn auch nicht mit einfachen Antworten auf. Sie begibt sich vielmehr auf eine faszinierende Spurensuche zurück zum Ursprung des Universums, die auf ausgesprochen unterhaltsame Art und Weise den Forschungsstand der Astrophysik präsentiert.
Von der Erde in die Weiten des Weltalls und wieder zurück – bis in das Schlafzimmer eines Menschen gezoomt, durch die Haut, in die Zellen, zu den chemischen Bestandteilen des Lebens. Fast magisch zieht das großflächig auf den Boden projizierte Video die Aufmerksamkeit auf sich. Gleich zu Anfang wird somit deutlich, wie eng Makrokosmos und Mikrokosmos zusammenhängen. Alle Materie ist letztlich nur eine Ansammlung von Atomen, Protonen, Elektronen, Neutronen.
Was an Materie im All so herumschwirrt, zeigt unmittelbar daneben ein 91 Kilo schwerer Eisen-Meteorit aus dem Asteroidengürtel unseres Sonnensystems, rund 4,5 Milliarden Jahre alt. Ein Fragment des Canyon-Diablo-Meteoriten, jenes Weltraum-Geschosses, das als Verursacher des berühmten Barringer-Kraters in Arizona gilt. In Blickachse hinter dem Objekt meint man spektakuläre Schwarz-Weiß-Aufnahmen kosmischer Phänomene zu sehen. Doch die großformatigen Bilder stammen nicht von Weltraumteleskopen, sondern von den Künstlerinnen Julia Münstermann und Tanja Hehmann, die sich in ihrer Tusche-Serie „Entrophy“ (2020-2022) und Einzelbildern der Ursuppe mit der Visualisierung des Unfassbaren beschäftigen.
Hanja Hehmann: Salz in der Ursuppe
Insgesamt fünf Künstler*innen bereichern und ergänzen diese hochkomplexe Wissenschaftsschau, die uns in zwei Bereichen dem Urknall Schritt für Schritt näherbringt. Der erste Teil dokumentiert das sichtbare Universum, zeigt Modelle der Planck- und Hubble-Teleskope, sowie der von ihnen gesendeten Einblicke in die Welt der Galaxien, die ohne Licht nicht sichtbar wäre. Dieses Licht ist Millionen Jahre alt, wenn es uns erreicht. Das Weltraum-Teleskop James Webb, das Weihnachten 2021 ins Weltall geschossen wurde, schafft es sogar, 13 Milliarden Jahre altes Licht einzufangen. Somit bekommen wir Bilder „aus der Zeit kurz nach dem Urknall zu sehen“ (NASA 2021). Wir schauen tatsächlich in die Vergangenheit - allein diese Tatsache strapaziert unsere Vorstellungskraft.
Ganz zu schweigen von dem zweiten, theoretischen Teil der Forschung, mit dem sich in Hamburg das Deutsche Elektronen-Synchroton (DESY) befasst. Hier wird experimentell ergründet, was die Welt im Innersten zusammenhält. In ihrem Teilchenbeschleuniger prallen Protonen aufeinander und zersplittern. Diesen Vorgang können die Besucher in einer interaktiven Videoinstallation nachempfinden, indem sie „mit Protonen Fußball spielen“. Wie ein echter Teilchenbeschleuniger aussieht, zeigt übrigens ein außerordentlich beeindruckendes, originalgroßes Foto vom CERN, dem Schweizer Pendant zum DESY.
CERN/CMS-Detektor zum Vermessen von Teilchen. Foto: CERN
Spannender und vergnüglicher als in dieser Ausstellung lassen sich die Erkenntnisse der Astrophysik und Kosmologie über die Entstehung der Sternsysteme und Schwarzer Löcher wohl kaum vermitteln. Hier kann man erfahren, was Dunkle Materie für Effekte hat, wie eine Funkenkammer Weltraum-Strahlung (die uns permanent durchdringt, ohne dass wir es bemerken) sichtbar macht und wie die kosmische Hintergrundstrahlung das Licht gefangen hält, bis es alle Hindernisse überwindet und im freien Fall durch den Weltraum schießen kann.
Um das alles (und noch viel mehr) wirklich zu verstehen, seien die zahlreichen Vorträge und Gespräche im Begleitprogramm wärmstens empfohlen. „Teilchenphysik für alle“ hat sich das Museum der Arbeit auf die Fahnen geschrieben. Hoffentlich bekommen es auch alle mit.
„Wie alles begann. Von Galaxien, Quarks und Kollisionen“
Zu sehen bis 10. April 2023, im Museum der Arbeit, Wiesendamm 3, 22305 Hamburg.
Weitere Informationen und Begleitprogramm (Homepage Museum der Arbeit)
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