Ein Gespenst geht um in Trier: Karl Marx, vor 200 Jahren am 5. Mai 1818 in Trier geboren, braust wie ein Orkan über das Städtchen an der Mosel hinweg. Allerdings nicht als Naturgewalt, sondern in Form einer Bronze-Statue. 2,3 Tonnen schwer und 4,40 Meter hoch, geschaffen von dem chinesischen Künstler Wu Weishan.
Sie ist ein Geburtstagsgeschenk der Volksrepublik China, der größten Diktatur der Welt, an die Geburtsstadt des Philosophen, Politökonomen, Journalisten und Revolutionärs Karl Marx. Sie wirbelt damit die rheinland-pfälzische Kommunalpolitik durcheinander und sorgt bundesweit für kontroverse Diskussionen innerhalb der Bevölkerung und der politischen Couleur.
Anlässlich seines 200. Geburtstages wird Karl Marx, der geistige Vater des Kommunismus sowie weltberühmter staatenloser Philosoph und Ökonomen, vom 5. Mai bis 21. Oktober 2018 mit mehreren Ausstellungen geehrt: Die große Landesausstellung im Rheinischen Landesmuseum und im Stadtmuseum Simeonstift Trier, im Geburtshaus Museum Karl-Marx Haus der Friedrich-Ebert-Stiftung sowie Partnerausstellungen, beleuchten den facettenreichen Werdegang von Marx als Menschen und politischen Aktivisten. Mehr als 400 Exponate, darunter original Dokumente aus Amsterdam, London und Paris, sind ausgestellt, ergänzt mit berühmten Gemälden zur Industrie- und Sozialgeschichte.
Im Rheinischen Landesmuseum steht der intellektuelle und politische Lebensweg im Mittelpunkt. Es werden nicht nur seine bedeutenden Werke dokumentiert, darunter das „Manifest der Kommunistischen Partei“, 1848 von Marx gemeinsam mit seinem Freund Friedrich Engels verfasst. Die Anfangszeile „Ein Gespenst geht um in Europa – das Gespenst des Kommunismus“ und das Ende des Manifests „Proletarier aller Länder, vereinigt euch!“ wurden weltbekannt und verbreiteten sich auf der ganzen Welt. Selbst in den Ländern Asiens, Afrikas und Südamerikas traf die Botschaft auf offene Ohren. 2013 wurde es in das UNESCO-Weltregister „Memory of the World“ aufgenommen. Das Gespenst, das in Europa umgeht, wurde dem zeitgenössischen Roman „Frankenstein“ von Mary Shelley entlehnt. Das Pamphlet zeigt aber auch die historischen Hintergründe seines Entstehens: Das Industriezeitalter – das Zeitalter des 19. Jahrhunderts mit enormen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Spannungen in Europa, die besonders prägend für Marx und seine Werke waren. Dass Karl Marx‘ Thesen bis heute so populär, aber auch umstritten sind, liegt vor allem an seiner Ideologie, die auch Thema der Ausstellung ist.
Daneben zeichnen das Stadtmuseum Simeonstift Trier und das Museum Karl-Marx Haus unter dem Titel „Stationen eines Lebens“ das bewegte Leben von Karl Marx nach. Interessantes, Klassisches und Kurioses wird in den Ausstellungen berichtet: Von seiner Kindheit und Jugend in seiner Geburtsstadt Trier, seinen wilden Studienjahren in Bonn und Berlin, von seinen romantischen Liebesbriefen und Gedichten, die er seiner Verlobten und späteren Frau Jenny widmete, der Freundschaft mit Friedrich Engels, dem Sohn einer erfolgreichen Industriellenfamilie aus Wuppertal, der ewigen Armut, der Entwicklung seiner Theorie bis hin zum Abfassen des ersten Bandes von „Das Kapital“. Gezeichnet wird ein sehr ambivalentes Bild des großen Philosophen, dessen Theorien die Weltgeschichte des 20. Jahrhunderts beeinflussen sollten, bis zu den Jahren des Exils in London, wo er fast die Hälfte seines Lebens verbrachte und im März 1883 starb. Anhand der Stationen dieses unruhigen Lebens werden wichtige Entwicklungen und Wendepunkte anschaulich gemacht: Welche Rolle spielten das Elternhaus und die Jugendjahre in der katholischen Bischofstadt Trier, seine ersten journalistischen und politischen Tätigkeiten bei der Rheinischen Zeitung in Köln oder die Jahre des Exils - aufgrund der Ausweisung durch den preußischen Staat - in Paris, Brüssel und London im Leben von Karl Marx und seiner Familie? Welche Personen und Zeitumstände prägten den jungen Marx‘s? Grundlage für diesen Artikel sind die in der Ausstellung präsentierten Zeitdokumente, zahlreiche Biographien, wie die von Richard Wurmbrand „Das andere Gesicht des Karl Marx“ und die im März 2018 publizierte Biographie „Karl Marx beim Barbier“ von Uwe Wittstocks, die ein lebendiges Bild des Menschen hinter der Ikone des Revolutionärs zeichnen. Wer also war Karl Marx? Was war Karl Marx für ein Mensch? Was hat ihn geprägt? Wie aktuell sind seine Thesen noch heute? Die Landesausstellung in Trier „Karl Marx 1818–1883. LEBEN. WERK. ZEIT.“ versucht diese Fragen zu beantworten.
Karl Marx, als Carl Marx geboren, das dritte von neun Kindern des jüdischen Anwalts Heinrich Marx und seiner Ehefrau in Trier geboren, absolvierte nach seiner Gymnasialzeit, die er zusammen mit seinem Freund und späteren Schwager Edgar von Westphalen verbrachte, ein Studium der Rechtswissenschaft in Bonn und Berlin. Der Vater, Heinrich Marx aus einer Familie von jüdischen Rabbinern stammend, konvertierte mit seiner Familie zum protestantischen Glauben, da Trier seit dem Wiener Kongress 1815 zu den linksrheinischen Provinzen Preußens gehörte. Daher hätte er als jüdischer Advokat keine Chance auf Berufsausübung im evangelischen Preußen gehabt. Deshalb entschloss er sich zur Taufe. Obwohl Trier zutiefst katholisch war, hatte Marx als Protestant keine Probleme. Er verdiente gut, wohl um die 1.500 Taler jährlich. Als Vergleich dazu: Landarbeiter und Tagelöhner verdienten etwa jährlich 100 Taler. Der Sohn Karl Marx wuchs also, dank der Karriere des Vaters, in gehobenen bürgerlichen Verhältnissen auf, während 80 Prozent der Stadtbevölkerung arm waren. Zur neuen Beamtenschaft gehörte auch Ludwig von Westfalen. Der preußische Adlige und Beamte und der jüdische Rabbinersohn freundeten sich an. Ebenso wie die Töchter der Familien Sophia Marx und Jenny von Westphalen befreundet waren und die Söhne Karl Marx und Edgar von Westphalen Klassenkameraden am Gymnasium.
Es war der väterliche Freund Ludwig von Westphalen, der Karl Marx mit der Literatur der Deutschen Romantik von E.T.A. Hoffmann und Jean Paul, den Brüdern Grimm und den Werken des englischen Lyrikers William Shakespeare in Berührung brachte. Von Westphalen hatte aber auch aus beruflichen Gründen engen Kontakt zu den Kranken- und Armenhäusern Triers, sah die Not und Verelendung der Bewohner. Er brachte den jungen Mann erstmals mit der Verarmung der Bevölkerung, sprich den Weinbauern, in Kontakt.
Aus Marx‘ Schwärmerei für seine Jugendfreundin Jenny von Westphalen wurde bald eine tiefe Liebe, wie zahlreiche Liebesbriefe bezeugen. Sechs Jahre dauerte die Verlobungszeit, bis im Juni 1843 endlich die Trauung stattfand. Marx‘ Liebesgedichte, die zum Teil erhalten sind und in der Landesausstellung gezeigt werden, offenbaren zwar die Verliebtheit seines Herzens, sind aber literarisch ohne jeglichen Wert:
„Kennst Du das süsse Zauberbild,
Wo Seelen in einander fliessen,
In einem Hauche sich ergiessen,
Melodisch voll und freundlich mild
Sie glühen auf in einer Purpurrose,
Und bergen sich verschämt im weichen Moose.“
Dennoch war Jenny die ideale Partnerin: Die intellektuelle junge Frau war fortan nicht nur die liebende Gattin und Mutter von sieben Kindern, von denen allerdings nur drei Töchter überlebten, sondern auch gleichwertige Diskussionspartnerin. Sie unterstützte Marx‘ Arbeit uneingeschränkt. Jenny Marx war überzeugte Sozialistin und Kommunistin, redigierte seine Texte und schrieb seine unleserlichen Manuskripte ab und bearbeitete diese. Sie verfasste eigene Texte über die Revolution in Deutschland und Theaterkritiken. Sie folgte ihrem Mann auf dem gesamten Weg durchs Exil und durch die finanzielle und wirtschaftliche Notlage. Sie tolerierte den unehelichen Sohn Henry Frederick Demuth, seinen Fehltritt mit der langjährigen Hausgehilfin Helena „Lenchen“ Demuth. Für den Jungen übernahm Friedrich Engels offiziell die Vaterschaft. Ein wahrer Freundschaftsdienst!
Als Jenny 1881 nach schwerer Krankheit in London starb, sagte Wilhelm Liebknecht: „Mit ihr starb er. Ihr Tod war sein Tod. Das wussten alle, die ihn kannten.“ Karl Marx überlebte seine Jenny nur anderthalb Jahre.
Eine eher unbekannte, aber unrühmliche Seite offenbaren dagegen etliche Biografien, wie die von Arnold Künzli, Uwe Wittstock und Richard Wurmbrand. Hinter der Fassade des berühmten Schriftgelehrten war Karl Marx, salopp gesagt, ein schlimmer Finger. Besonders gegenüber Freunden und der eigenen Familie. Marx war ein Schmarotzer, er war ein Antisemit und Rassist. Und er war dem Alkohol nicht abgeneigt.
Marx war gegen die Religion, „weil die Religion die Erfüllung des kommunistischen Ideals behindere, das er für die einzige Antwort auf die Probleme der Welt hielt“, heißt es. Selbst als Jude geboren, waren die Juden sein größtes Feindbild. An seinen politischen Freund Arnold Ruge schrieb er, wie „widerlich“ ihm „der israelitische Glaube“ sei. Sein Text „Zur Judenfrage“ (1843) legt den geistigen Grundstein für antisemitischen Hass: „Welches ist der weltliche Grund des Judenthums? Das praktische Bedürfnis, der Eigennutz. Welches ist der weltliche Kultus der Juden? Der Schacher. Welches ist sein weltlicher Gott? Das Geld.“ Die Passagen von Marx über Juden lesen sich zuweilen wie Originaltexte der Nazis. „Das Judentum sei „ein allgemeines gegenwärtiges antisociales Element. In der jüdischen Religion liege „die Verachtung der Theorie, der Kunst, der Geschichte, des Menschen als Selbstzweck“. Selbst „das Weib wird verschachert". So wird Ferdinand Lassalle, der Gründer des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins von Marx wegen seiner jüdischen Herkunft erst als Jüdel Braun, Ephraim Gescheit und Itzig beschimpft. Nachdem Lasalle ihn 1862 in London besucht hatte, bezeichnet Marx ihn als „jüdischen Nigger Lasalle“ und schreibt: „Es ist mir jetzt völlig klar, dass er, wie auch seine Kopfbildung und sein Haarwuchs beweist, von Negern abstammt, die sich dem Zug des Moses aus Ägypten anschlossen. Nun, diese Verbindung von Judentum und Germanentum mit der negerhaften Grundsubstanz müssen ein sonderbares Produkt hervorbringen. Die Zudringlichkeit des Burschen ist auch niggerhaft.“
Hinzu kommt, dass Marx‘ finanzielle Lebensweise verheerend war; er war verschwenderisch, konnte nie mit Geld umgehen. Er war ein finanzieller Schmarotzer, nutzte Freunde und Verwandte schamlos aus. Seine Ehefrau war Stammgast im Pfandhaus. Versetzte das Familiensilber und manchmal auch seinen Überrock, sodass der große Philosoph nicht auf die Straße gehen konnte. Schon als Student in Berlin, verpulverte der junge Marx 700 Taler als jährlichen Wechsel vom Papa. „Eine riesige Summe, denn zu jener Zeit hatten nur fünf Prozent der Bevölkerung ein Jahreseinkommen von über 300 Taler. Im Laufe seines Lebens erhielt Marx von seinem Fabrikantenfreund Friedrich Engels ungefähr sechs Millionen französische Francs (Zahlen aus dem Marx-Lenin-Institut)“. Aber, für den Fabrikantensohn war es völlig normal, den mittellosen Marx ständig mit Geld zu unterstützen. Dessen wissenschaftliche und schriftstellerische Tätigkeiten brachten nicht genug ein. Wozu auch!
Er war ständig hinter Erbschaften her. "Erbschaftsverhinderer" beschimpfte Marx Verwandte, die aus seiner Sicht zu alt wurden. Über die schwere Krankheit eines 90jährigen Onkels schrieb er an seinen Freund Engels: "Stirbt der Hund jetzt, bin ich aus der Patsche heraus." Als dessen Tod drei Jahre später endlich eintrat, rühmte Marx das als „a very happy event“. „Selbst seinen eigenen Schwiegersohn Paul Lafarge, dessen Mutter eine kubanische Kreolin war, erniedrigte er in einem Brief an seine Tochter Jenny als "Negrillo" und "Abkömmling eines Gorillas".
Trotz all der Widrigkeiten: Karl Marx ist in aller Munde und wird gefeiert. Ob in Ausstellungen und der Politik oder als Bade-Entchen, Biersorte und Kühlschrankmagnet, als Ampelmännchen, Spardose oder Kaffee-Pot mit Marx Konterfei. Trier vermarktet sein Geburtstagskind gnadenlos. Happy birthday Karl Marx. Wie sagte schon einst der große Philosoph „ An allem ist zu zweifeln“ - De omnibus dubitandum (Karl Marx, Poesiealbum von Tochter Jenny, 1865)
Landesausstellung in Trier: „Karl Marx 1818-1883. Leben. Werk. Zeit.“
vom 5. Mai bis 21. Oktober 2018 im Rheinischen Lancdesmuseum Trier
Ein Katalog ist erschienen.
Weitere Informationen
Abbildungsnachweis: Alle © Landesausstellung Trier; Rheinisches Landesmuseum Trier und dem Stadtmuseum Simeonstift Trier.
Galerie:
01. - 09. Blicke in die Ausstellung im Rheinischen Landesausstellung Trier und dem Stadtmuseum Simeonstift Trier.
10. Porträt von Karl Marx, 1861, International Institute of Social History, Amsterdam
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