Kunsthandwerk, Grafik & Design

Diese Künstlerin ist in keine Schublade zu stecken. Begriffe wie „frei“ oder „angewandt“ wollen bei ihr nicht greifen, auch wenn „Margit Jäschke - Kairos“ in der Reihe „Contemporary Craft“ im Museum für Kunst und Gewerbe zu sehen ist.

 

Die ebenso facettenreiche wie puristisch inszenierte Retrospektive, die nach Leipzig, Pforzheim und München nun als letzte Station in Hamburg gastiert, macht deutlich, dass Jäschkes Arbeiten die Grenzen des Kunsthandwerks mühelos sprengen.

 

Das altgriechische Wort „Kairos“ bedeutet so viel wie die gute Gelegenheit. Oder, wie es Margit Jäschke formuliert, „der Augenblick, in dem der Zufall einen… glücklichen Moment hervorbringt und in dem für mich Überraschendes entsteht“. Überraschend sind die Arbeiten nicht nur für sie, sondern auch für die Betrachtenden, insbesondere, wenn sie die Dinge zur Hand nehmen. Was schwer aussieht, nach massivem Gold, Silber oder Emaille, ist in Wirklichkeit federleicht.

 

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Margit Jäschke nutzt gern Verbundkarton und Wellpappe, auch Plastik und Epoxidharz zur Herstellung ihrer organischen, oft floral anmutenden, mitunter aber auch streng konstruktivistischen Kreationen. Sie bearbeitet die Oberfläche der vermeintlich wertlosen Materialien derart gekonnt, dass sie sich in echte Pretiosen verwandeln. In Kleinplastiken und Reliefs, vor allem aber in Schmuckobjekte, Ketten und Broschen.

 

Und somit firmiert diese Ausnahmegestalterin in der Regel als Schmuckkünstlerin, obwohl sie auch großformatige Wand- und Bodeninstallationen schafft, spannungsgeladene Collagen und Bild-Mosaike, denen man über Vitrinen und lange, weiße, mit Objekten bestückte Tische hinweg schon von weitem ansieht, dass die 1962 in Halle an der Saale geborene und an der Burg Giebichenstein ausgebildete Künstlerin (dort unterrichtete sie auch von 1991-2001), eine unbändige Lust am Formenspiel auszeichnet. Margit Jäschke fügt zusammen, was nicht zusammengehört und schafft so die wunderbarsten Collagen und Assemblagen en miniature.

 

MKG ContemporaryCraft MargitJäschke Kairos Ausstellungsansicht HenningRogge

Blick in die Ausstellung. Foto: Henning Rogge

 

Dabei geht die Künstlerin mit dem Forschungseifer einer Alchemistin an Werk. Ihre Kreativität und Intuition scheinen grenzenlos, wenn sie Bruch- und Fundstücke, Fotos, Edelsteine, Papier, Silber, Gold, Holz, Mineralien, Stahl, Glas, Kunststoffe und vieles mehr zu farbigen, immer ein wenig spontan und unvollkommen wirkenden Pretiosen komponiert. In ihrer seltsam spröden Anmutung erinnert diese Formsprache an die Arte Povera Bewegung der 1960er und 1970er Jahre, an Künstler wie Jannis Kounellis, Mario Merz oder Michelangelo Pistoletto, die aus „armen“ ganz alltäglichen Materialien wie Draht, Bindfaden, Glassplittern und Stoffresten raumgreifende Installation schufen. Die Schmuckobjekte, Broschen, Colliers und Kleinplastiken von Margit Jäschke hingegen lassen sich in jeder Handtasche verstauen. Doch sie beweisen einmal mehr, dass auch kleine Dinge große Kunst sein können.


Contemporary Craft. „Margit Jäschke – Kairos“

Zu sehen bis 28.4.2024, Museum für Kunst und Gewerbe, Steintorplatz, in 20099 Hamburg

Geöffnet: Di-So 10-18 Uhr, Do 10-21 Uhr.

Weitere Informationen (Museum)

Zur Ausstellungstournee erschien bei arnoldsche Art Publishers die Monografie „Margit Jäschke – Kairos“ mit vielen Abbildungen und wenig Text. 160 Seiten (dt./engl.).

 

YouTube-Video:

Contemporary Craft: Margit Jäschke – Kairos

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