Es scheint so, als ob das deutsche Fernsehen in vielen Sparten zuhause ist, aber nicht in allen. Egal ob man sich im nationalen oder im regionalen Bereich aufhält oder ob man bei den Stadtsendern Ausschau hält, man sucht sie vergebens. Es geht um die Kinder- und Jugendkultur im Fernsehen.
Überhaupt sind Kinder und Jugendliche im Gesamtprogramm der deutschen Fernsehsender lediglich mit 11,2% aller Protagonisten vertreten. Vergleicht man die Zahl mit denen des Statistischen Bundesamtes aus dem Jahre 2006, die die Anzahl der Kinder- und Jugendlichen in der Bundesrepublik erfassen, dann bedeutet das eine erhebliche Unterrepräsentanz.*
Zugegeben, die Prognosen zum demographischen Wandel in Deutschland beschreiben bis zum Jahr 2050 eine erhebliche Veränderung: Die Gesellschaft wird älter, der Anteil der Kinder und Jugendlichen nimmt weiter ab. Die Schlagzeilen, die wir seit einigen Jahren zu lesen bekommen lauten: “Niedrigste Geburtenrate in Deutschland seit 1945“, „Geburtenrate in Deutschland weiter rückläufig“ bis hin zu „Die Deutschen sterben aus“. Ob das der Grund ist, warum sich Fernsehsender nicht um die adäquate Berichterstattung über kulturelle Angebote und Aktivitäten für Kinder und Jugendliche kümmern, kann ich nicht beantworten.
Dabei gibt es von der Grundstruktur her alles: Es gibt Kinderfernsehsender, -programme, -serien und es gibt Kindersendungen - und einige wenige auch sehr gute darunter, wie die Kindernachrichtensendung „logo“**. Diese nimmt seine jungen Zuschauer ernst und bietet eine Mischung aus Berichten über große Weltpolitik und Kinderprobleme direkt vor deren Haustür. Und hier liegt schon eines der Merkmale: Kinder und Jugendliche als gesellschaftliche Akteure ernst zu nehmen und die Entfaltung von künstlerischer Eigeninitiative zu fördern. Das macht Fernsehen nicht! Könnte es aber, wenn so ein Modell wie „logo!“ auch auf die Kultur übertragen werden würde.
Der Kulturwissenschaftler und Philosoph Peter Slotderdijk brachte es vor einiger Zeit sinngemäß auf folgenden Punkt: Wir müssen die Medienkompetenz von Kindern stärken, sie schließlich zu aktiven Teilhabern an Kultur motivieren und dabei die Vorfreude auf sich selbst nicht aus den Augen verlieren. Das klingt programmatisch für ein eigenes Format zur Kinder- und Jugendkultur. Und das ließe sich insbesondere dort überall gut umsetzen, wo urbane Zentren sind, Großstädte und Metropolen. Also wäre dies insbesondere eine Aufgabe der Regionalprogramme und Stadtsender. Was nützt es, eine Sendung zu machen, mit Themen die eine Mobilität vorgaukelt, die bei Kindern und Jugendlichen so nicht existiert und von Veranstaltungen aus München berichtet, wenn man in Hamburg wohnt. Eine solche Berichterstattung macht nur dann Sinn, wenn die Veranstaltung dann auch nach Hamburg kommt oder etwas so beispielgebend sein kann, dass man dies auch auf Hamburg übertragen könnte.
Wie können die Inhalte und Themen einer solchen Kinder- und Jugendkultursendung aussehen? Hier kann man sich an guten Beispielen aus anderen Genres anlehnen und diese auf das Modell einer solchen spezifischen Kultursendung übertragen.
Ein paar Beispiele:
- Berichten über das, was Kinder und Jugendliche interessiert.
- Inhalte auswählen, die vor der eigenen Haustür liegen oder die Nachbarschaft und andere Stadtteile betreffen.
- Lokale Eigenheiten thematisieren.
- Themen, über die viel gesprochen wird, sind gute Themen.
- Kinder das mitgeben, was in der Kultur läuft und dies in einer angemessenen Sprache: erzählend, erklärend und locker, mit passenden Bildern und Beiträgen.
- Durchaus auch Kontroversen thematisieren, um damit auch die Meinungsbildung zu fördern und auszubauen.
- Raum und Sendezeit freihalten, damit sich Kinder- und Jugendliche auch selbst medial mit ihren Kulturprojekten vorstellen können.
Dabei ist zu beachten, dass es eine klare Fokussierung auf eine Altersgruppe gibt. Jugendliche wollen keine Sendungen sehen, die für Kinder gemacht sind und andersherum genauso wenig. Hier wäre ein wöchentlicher Wechsel von Kindersendung und Jugendsendung überlegenswert. Wenn die Formate von Erwachsenen verantwortet und moderiert werden, wird damit auch gezeigt, dass die jugendliche Zielgruppe nicht nur wahrgenommen und respektiert, sondern auch deren Interessen ernst genommen werden.
Vielleicht gelingt es in Hamburg hier diese Pionierarbeit zu leisten, darüber einmal intensiv nachzudenken, ein Konzept zu entwickeln, die Finanzierung zu sichern und der Fernsehlandschaft die fehlende Sparte hinzuzufügen.
* Angaben aus der Studie des Adolf Grimme Instituts: HANNOVER, Irmela / BIRKENSTOCK, Arne: „Familienbilder im Fernsehen“, S. 43 ff, Marl 2005
** Eine Gemeinschaftssendung von ARD und ZDF. Seit 1989 entstanden mehr als 6.000 Sendungen.
*** Dieser Artikel wurde erstmals unter dem Titel: "Das macht Fernsehen nicht! Oder doch?" in der Zeitschrift "KinderundJugendkultur info", Ausgabe 2/09, Hamburg 2009, S.11 als Gastbeitrag veröffentlicht.
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