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Elbjazz 2018

Man weiß es ja von Vornherein: Über 50 Konzerte an zwei Tagen klingen verlockend, sind aber bei weitem nicht zu schaffen. Lange Wege, kilometerlange Warteschlangen, überfüllte Hallen – wer Glück hat und sehr gut plant, schafft, wenn es hochkommt, zehn Prozent.
In diesem Jahr kam erschwerend ein Unwetter hinzu, wie man es bei einem Elbjazz-Festival noch nicht erlebt hat. Die Bilanz der Autorin: Chaos, Sturm und drei hinreißende Konzerte. Und um es gleich vorweg zu nehmen: Diese Bilanz erhebt weder Anspruch auf Vollständigkeit, noch auf Objektivität.

Etwas Positives hatte das Unwetter ja: Das Elbjazz-Festival 2018 wird man so schnell nicht vergessen. Auch in zwanzig Jahren wird man die Bilder von rennenden Menschen unter grünen und orangenen Plastikumhängen vor Augen haben. Von Plastikfolien, die nichts nützen, weil der Sturm sie hoch gepeitscht und über die Köpfe gerissen hat. Man wird noch die überfluteten Straßen vor sich sehen und spüren, wie einen das Wasser in die Schuhe läuft und bis auf die Unterwäsche durchweicht. Das Gedränge und die Panik vor den überfüllten Shuttlebussen erinnern, das Geschimpfe über die völlig überforderte Festivalleitung der frustrierten Besucher im Ohr haben, die mit quatschnassen Schuhen durch den Elbtunnel stapften.

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Der Wettergott war ja nie sonderlich gut auf das Hamburger Elbjazz-Festival zu sprechen. So oft war es schon kalt und regnerisch, aber noch nie so schlimm wie am vergangenen Freitag.
Dabei hatte alles so gut angefangen: Zwei Wochen Sonne satt, der heißeste Mai seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Doch Freitagabend, pünktlich zum Auftritt von China Moses, der phantastischen Soul-Pop-Sängerin und Tochter von Jazz-Legende Dee Dee Bridgewater, fing es auf dem Festivalgelände bei Blohm und Voss an wie aus Eimern zu schütten. Erst drängten sich die Zuhörer noch tapfer unter das große Zeltdach „Am Helgen“. Doch als wenig später die Veranstaltung „wegen Unwetterwarnung“ abgebrochen wurde und sich wie auf Kommando ein ohrenbetäubendes Donnerwetter über dem Gelände entlud, war es schon zu spät, halbwegs trocken noch in eine der Hallen zu flüchten.

Um es kurz zu machen: Der Abend war gelaufen – vor allem für die Michael Wollny-Fans, zumindest diejenigen, die sich wegen Wollny, dem ersten „Artist in Residence“ beim Elbjazz, ein Ticket gekauft hatten: Natürlich fiel das Konzert des Michael Wollny Trios auf der Hauptbühne ins Wasser.
Umso mehr freuten sich diejenigen Festivalbesucher, die den begnadeten Pianisten zur späten Stunde gemeinsam mit dem Sänger und Songschreiber Konstantin Gropper erleben durften. Man wundert sich, wie gut die beiden unterschiedlichen Naturelle zusammenpassen: Gropper, abgeklärt, introvertiert, intellektuell – ganz auf sich und seine samtweichen, poetischen Songs konzentriert. Und Wollny, dieser unglaublich geniale Tausendsassa an den Tasten, der nach Lust und Laune mit Gläsern und Filzmatten experimentiert, Saiten traktiert und zwischendurch in so rasanten, kraftvollen Läufen auf den Flügen einhämmert, dass man Angst bekommt, er könne sich gleich in seine Einzelteile zerlegen. (Auf jeden Fall wackelte er schon bedenklich). Alles in Allem ein Abschluss, der die Autorin einem mit diesem Katastrophen-Abend versöhnte.

Am nächsten Tag war man schlauer: Auf jeden Fall Regenklamotten in den Rucksack und (besser ist besser) lieber gleich Indoor-Konzerte auswählen. Eine ausgezeichnete Wahl, wie sich herausstellte – und eine Idee, die offenbar mehrere Elbjazz-Besucher hatten: Die Hauptkirche St. Katharinen platzte aus allen Nähten, als die australische Singer-Songwriterin und Gitarristin Kat Frankie das Gotteshaus zum Grooven brachte. Unglaublich, was für eine Kraft, was für eine Energie diese kleine, zierliche Musikerin in ihre Stimme legen kann: Einfühlsam, wütend, dramatisch – es scheint, als durchlebe Kat Frankie ihre Songs mit jeder Faser ihres Herzens.
Eigentlich hätte man nach diesem Konzert- im zweiten Teil unterstützt durch fünf ausgezeichnete Backgournd-Sängerinnen – erfüllt nach Hause gehen können. Aber es war ja noch früh und außerdem Elbjazz. Also (mit bangem Blick gen Himmel) auf zum Busshuttle Richtung Blohm und Voss. In der Schiffbauhalle dort kamen die Hardcore-Jazzfans auf ihre Kosten: Die vier Musiker von WEB WEB, Bassist Christian von Kaphengst, Pianist Robert Di Gioia, Saxophonist Toni Lakatos und Schlagzeuger Peter Gall, spielen einen Jazz, wie man ihn in den 1970-Jahren gespielt hat: Spontan und mit vielen Improvisationen, die insbesondere der hervorragende Saxophonist Tony Lakatos dominierte.

Danach war die große Frage: WOHIN? Hält der Himmel, um Nneka, die Soul- und Afro-beat-Queen auf der Hauptbühne bei Blohm und Voss zu sehen oder doch lieber den Weg zurück, in den Bus und auf die MS Stubnitz zu den „Estonian Voices“? Die Entscheidung viel zugunsten des A-capella-Ensembles aus und die Erwartungen wurden mehr als übertroffen: Mit ihrer mitreißenden Vokal-Akrobatik, einem Mix aus traditionellen Volksliedern, Pop, Jazz, „close harmonies“ und Beatboxing schafften die Sänger/Innen aus Tallin etwas, was sonst auf der MS Stubnitz ein Ding der Unmöglichkeit ist: Selbst in den oberen Stockwerken war es – zumindest zeitweise – mucksmäuschenstill.

Elbjazz 2018 Programm

Weitere Informationen

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Abbildungsnachweis:
Alle Fotos: Isabelle Hofmann
Header: Hauptbühne Elbjazz auf dem Blohm + Voss Werftgelände, Hamburg.
Galerie:
01. Kat Frankie and Friends
02. Kat Frankie
03. Stimmung in St. Katharinen
04. Estonian Voices auf der MS Stubnitz
05.
Estonian Voices – Mirjam Dede und Maria Väli und Maria Väli
06.
Estonian Voices – Maria Väli
07. Estonian Voices – Tenor Mikk Dede
08. Web Web
09. Web Web – Toni Lakatos

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