Festivals, Medien & TV

Als TV-Festival hat sich die Cologne Conference einen Namen gemacht, erhält aber inzwischen deutlich mehr Einreichungen aus dem Spielfilm-Bereich. Der Trend zeigt: Wenn schon Fernsehen, dann bitte in anspruchsvoller Serienproduktion.


„Crime Crime Crime, und ein bisschen Mystery-Einschlag“ – für Festivaldirektorin Martina Richter liegt die Entwicklung der gegenwärtigen TV-Landschaft klar auf der Hand. Beim Internationalen Film- und Fernsehfestival Köln, kurz Cologne Conference, will man den weltweit wichtigsten Trends in Fernsehen und Film auf der Spur sein, und das heißt für den Bereich TV: Komplexe Serien mit vielschichtigen Erzähluniversen für ein anspruchsvolles Publikum, gerne auch mit gesellschaftlich brisanten Themen.


Bestes Beispiel dafür aus dem aktuellen Programmplan der Cologne Conference: „Mr. Robot“, eine US-Thriller-Serie über den jungen IT-Spezialisten Elliot, der unter sozialer Phobie, Depressionen und Paranoia leidet, bis er von dem Anführer einer anarchistischen Untergrundorganisation (Mr. Robot) für deren Zwecke rekrutiert wird. Unter dem Slogan „Our democracy has been hacked“ greift die TV-Serie Themen wie digitale Datensicherheit und Online-Aktivismus auf und spielt zugleich mit den widersprüchlichen Wahrnehmungen des Hauptprotagonisten, die nie ganz vertrauenswürdig erscheinen. Ein bisschen „Fight Club“, ein bisschen „Matrix“, ein bisschen „American Psycho“ – dass das Erfolgsrezept von „Mr. Robot“ funktioniert, zeigt das Kritikerlob, dass die Produktion im US-Raum bereits einheimsen konnte. Zur Deutschlandpremiere der „derzeit coolsten Serie der Welt“, so Festivalchefin Martina Richter, werden die beiden Hauptdarsteller Rami Malek und Christian Slater mit dem Serienmacher Sam Esmail nach Köln anreisen.

 

 

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Spannung, Rätsel, Mystery: Der rote Faden in der Festival-Fernsehsparte ist nicht zu übersehen. Mit der skandinavischen Produktion „Jordskott“ zeigt die Cologne Conference eine Serie, die an David Lynchs „Twin Peaks“ erinnert – eine surreal-verstörende Geschichte über eine Kommissarin auf der Suche nach verschwundenen Kindern. Oder die britische Serie „Safe House“, in der Ex-Polizist Robert mit seiner Frau eine bedrohte Familie in ihr zurückgezogenes Landhaus aufnimmt – ein multiperspektivisch erzählter Thriller, der natürlich auch überraschende Wendungen bereithält. Aus Deutschland gesellt sich „Weinberg“ dazu, eine ambitionierte Mini-Serie um einen Mann, der erinnerungslos auf einem Weinberg aufwacht – neben ihm ein totes (oder doch nicht?) Mädchen.

 


Trotzdem: Der Platzhirsch auf der Cologne Conference ist nach wie vor der Spielfilm. Hochkarätiger Festivalgast ist dieses Jahr Oscar-Gewinner Paolo Sorrentino, der für Filme wie „Il Divo“ und „La Grande Bellezza“ bekannt ist. Der Regisseur wird auf der Cologne Conference mit dem Filmpreis Köln ausgezeichnet, sein Film „Ewige Jugend“ – ein skurriles Altersmärchen über das Promi-Wiedersehen zwischen Komponist (Michael Caine) und Regisseur (Harvey Keitel) im Schweizer Nobel-Spa – feiert hier seine Deutschlandpremiere. Zu den weiteren Preisträgern gehört Dokumentarfilmer Joshua Oppenheimer, von dem „The Look of Silence“ und „The Act of Killing“ zu sehen sein werden, beides politische Doku-Erzählungen, die die Abgründe menschlicher Grausamkeit in unglaublich visueller Ästhetik einfangen. Die Balance zwischen politischer Dokumentation und Fiktion kann auch „Arabian Nights“ gekonnt einhalten. Das in Cannes gefeierte Monumentalwerk kommt insgesamt auf 381 Minuten Spielzeit und musste daher in drei Teile geteilt werden. Filmemacher Miguel Gomes zeichnet hier in vielen kleinen Episoden ein Porträt der gegenwärtigen Portugals, das die Folgen der Weltwirtschaftskrise zu spüren bekommt.

 


Bei all diesen eher ernsteren Thematiken haben sich die humorvollen Produktionen in der Nische versteckt: zum Beispiel die Tragikomödie „Listen up Philip“ über einen arroganten New Yorker Schriftsteller, der kurz vor der Veröffentlichung seines zweiten Romans steht und dabei seinen Verlag, seinen Freundin und auch sonst sein gesamtes Umfeld vor den Kopf stößt. Oder „Cucumber/Banana“, die britische TV-Serie über einen schwulen Endvierziger, der sich auf dem Singlemarkt neu zurechtfinden muss. Natürlich darf hier auch Sundance-Erfolg „Tangerine“ nicht fehlen: Das poppig-schrille Komödiendrama um zwei transsexuelle Prostituierte ist nicht nur thematisch unkonventionell, sondern auch in seiner Aufnahmetechnik, denn der Film wurde komplett per iPhones aufgenommen – und verspricht so neue Möglichkeiten in der Aufnahme- und Produktionstechnik.

 


Zum 25. Jubiläum hat die Cologne Conference dieses Jahr einen Festivaltag mehr drangehängt, sieben statt nur sechs Spieltage sind vorgesehen. Offizieller Start ist am 25. September 2015.


Cologne Conference
25.09.-01.10.2015, verschiedene Spielstätten in Köln
Zum Programm geht es hier
Festivaltrailer


Abbildungsnachweis/Galerie:
01. Still Jordskott
02. Still Safe House
03. Still Weinberg
04. Still La Grande Bellezza
05. Still Ewige Jugend
06. Still The Look of Silence
07. Still Arabian Nights
08. Still Listen up Philip
09. Still Tangerine

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