Bildende Kunst
A Romantic View – Die Sammlung Rademakers in Riga

Der Kauf ihres ersten Kunstwerkes war Ursula und Jef Rademakers im Jahr 1988 noch gründlich auf den Magen geschlagen:
Vor lauter Entsetzen auf der Biennale von Paris ein sündhaft teures Gemälde einer Winterlandschaft gekauft zu haben, entschied sich das niederländische Ehepaar, den reservierten Tisch im extravaganten Restaurant kurzerhand zu stornieren und doch lieber bei einer Fastfood-Kette zu dinieren.
Über zwanzig Jahre später erinnert sich das Sammlerehepaar während einer Führung durch ihre Ausstellung „A Romantic View" in Lettlands Hauptstadt Riga mit einem Schmunzeln an die holprigen Anfänge ihrer Sammelleidenschaft. Denn heute umfasst die Sammlung der beiden rund siebzig Gemälde aus dem 19. Jahrhundert, flämisch-niederländischer Kunst aus der Zeit zwischen 1806 und 1870.

Vieles passt auf den ersten Blick nicht zusammen in der Biografie der Sammler: Jef Rademakers hatte sich in den Niederlanden und Belgien bis in die neunziger Jahre hinein einen Namen als TV-Produzent gemacht – seichte Erotik-Serien wie „Pin Up Club“ oder der Verkaufsschlager „Klassentreffen“, bei dem Prominente auf alte Weggefährten aus der Schule trafen, stammen von ihm. Letzteres Format wurde so erfolgreich in sechs weitere Länder verkauft, dass Rademakers seine Produktionsfirma ausbauen musste und zum Geschäftsführer avancierte. Ein Knackpunkt in seiner Biografie, da er sich nie als Betriebsleiter empfand, sondern den Umgang zu Künstlern und Schauspielern pflegte. Den Grund für seine damals einsetzende Passion für die Kunst, kann Rademakers selbst nur erahnen: „Bis zu meinem 20. Lebensjahr hatte ich noch nie ein Museum von innen gesehen – mit 40 Jahren noch kein einziges Kunstobjekt erworben". Doch Mitte der 1980er-Jahre hatte er eine Fernsehserie über den „Öffentlichen Kunstbesitz“ in den Niederlanden kreiert. Dafür filmte er in Museen, Ateliers und bei Kunsthändlern. Bei diesen Besuchen wurde ihm klar, dass man selbst auch Besitzer von Meisterwerken werden kann und diese nicht „nur“ bewundern oder über sie berichten muss. Nach dem Verkauf seiner Firma, fing er an zu kaufen und zu sammeln.

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Die Romantik entsprach dabei sehr seinem Naturell und beflügelte seine Fantasie: Denn Rademakers selbst bezeichnete sich noch 2012 in einem Interview als sehr schwermütig, pessimistisch, geradezu hypochondrisch. Doch die Ideale, die er seinerzeit in der Medienbranche verloren geglaubt hatte, fand er wieder in den Bildern der romantischen Künstler.

Die Wanderausstellung des Ehepaar Rademakers in der Alten Börse, dem heutigen Kunstmuseum „Riga Börse“ (Mākslas muzeja „Rīgas Birža”), die von Ende Februar bis Ende April in der Metropole an der Daugava gastierte, umfasste vor allem Landschaften, Innenansichten, Blumenstillleben, häusliche Szenen, Porträts, Nocturnes mit Mondschein und Seestücke der Künstler Barend Cornelis Koekkoeck, Andreas Schelfhout, Egidius Linnig, Bart van Hove und Jacob Abels.

Rademakers sagt: „Meines Wissens existiert nirgendwo anders ein solch homogener Überblick über die niederländisch-flämische Romantik.“ Auch Kunsthistoriker geben dem Autodidakten in diesem Punkt Recht. Neben der Erhöhung und Verherrlichung der Natur, sind in der Rademmakers’schen Sammlung ganze Bildkompositionen von Architektur einzig auf die Vorstellungskraft der Künstler zurück zu führen. Gerade Bart van Hove war für Jef Rademakers diesbezüglich ein klassischer Romantiker: „Es ging ihm nicht darum, die Wirklichkeit abzubilden, sondern darum, sie zu verbessern. Er gestaltete seine eigene Wirklichkeit, indem er Bauelemente aus verschiedenen Städten zusammen setzte und so völlig neue Szenerien schuf.“ Heraus kamen dann neben einer Illusion, die typischen idealisierten Eigenheiten der Romantik.

Doch wer denkt, dass die Epoche der Romantik nur für einzelne Liebhaber interessant sei, der irrt sich. Gerade in den Niederlanden und Argentinien erwacht derzeit das Faible für Überhöhung und Kitsch. Mit der Thronfolge von Willem Alexander zum König der Niederlande und seiner Frau Maxima zur Königin entflammt derzeit wieder der Stoff aus dem Träume gemacht sind: Die gebürtige Argentinierin Maxima hat das geschafft, von dem tausende Mädchen träumen – sie wird nun von der Bürgerlichen zur Königin. Für Jef und Ursula Rademakers die beste Gelegenheit ihre Ausstellung in Buenos Aires zu präsentieren, um dort auch in Sachen niederländisch-argentinischer Völkerverständigung tätig zu sein. Diese Reise wird wohl eine der letzten großen für die Sammlung werden: denn 2014 ist Schluss. Dann möchte das Ehepaar Rademakers samt Sammlung zur Ruhe kommen, um sich einen ganz eigenen, heimeligen „romantic view“ in ihrer Wahlheimat in Belgien zu schaffen.

Fotonachweis:
Header: Details aus Adriaan Wulffaert (1804–1873) "The bridal couple bids farewell", 1838, Öl auf Leinwand, 57x72 cm. Sammlung Rademakers.
Galerie:
01. Sammlerehepaar rademakers in Riga. Foto: Jan-Erik Burkard
02. Andreas Schelfhout (1787–1870), "Frozen waterway", 1845, Öl auf Leinwand, 46x66 cm
03. Jules Victor Genisson (1805–1860), "Interior Westminster Abbey", 1851, Öl auf Leinwand, 143x114 cm
04. Bart van Hove (1790–1880) und Huib van Hove (1814–1864), "Leaving the church in Leiden", 1846, Öl auf Leinwand, 80x62 cm
05. Basile de Loose (1809–1885), "Village fair", 1838, Öl auf Leinwand, 85x105 cm
06. Petrus van Schendel (1806–1870), "Marine scene at night", Öl auf Holz, 42x56 cm

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