Bildende Kunst

Till Nowak, 1980 in Bonn geboren und in den USA lebend, gilt als einer der innovativsten und fantasievollsten Künstler der digitalen Kunstszene.

Seine Werke sind in unterschiedlichen Techniken hergestellt: Videokunst, Bildwerke mit digitalen Druckverfahren, Objekte und Installationen – sowie im öffentlichen Raum, so z.B. HafenCity und Elbphilharmonie in Hamburg, an der Rendsburger Hochbrücke und dem Castello di Napoli in Neapel. Seine Kunstwerke sind in Sammlungen in Europa, Asien und Nordamerika vertreten.

 

Der Künstler beschäftigt sich inhaltlich mit sehr aktuellen Themen, mit Zuständen von Manipulation, mit einer tatsächlich auffindbaren und einer von ihm geschaffenen Realität. Erweiterte Realität (Augmented Reality) ist der Fachausdruck dafür. Die Manipulationen sind vom Künstler so geschickt inszeniert, dass sie oft auf den ersten Blick kaum auffallen, im Gegenteil, wir halten diese sogar für möglich. Bis sich dann irgendwann ein Moment einstellt, der in uns Skepsis hervorruft und wir seine übertriebenen Möglichkeitsformen als augenzwinkernde Behauptungen entlarven.

 

Die Frage danach, wie sich Wirklichkeit formt – auch in Ausnahmezuständen – ist ein Leitmotiv in seinem Werk.

„Die Wahrheit ist viel fragiler als ich dachte“, sagte der Künstler jüngst in einem Interview. Er bezieht sich und seine Arbeit damit auf aktuelle Geschehnisse in der Welt. Mal sieht er sich als einen überraschten Beobachter einer außergewöhnlichen Entwicklung oder Eskalation mal entwickelt sich aus der Beobachtung ein Gefühl, in dem Erstaunen, Faszination, aber auch teilweise Unbehagen mitschwingt. Das wirkt sich übertragen bildlich auf seine Werke aus. Vieles erscheint bei näherer Betrachtung völlig anders, diverser und präziser.

 

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In der Ausstellung im Kunsthaus Nexus, die von der Fondation Erica Sauter in Genf gefördert wurde, werden Bildwerke sowie Videoarbeiten aus den Jahren 2011 bis 2021 gezeigt. Die überwiegend quadratischen Bilder sind Verweise auf die Realität, aber auch auf historische Muster. Die natürliche Freude des Künstlers am Experimentieren und Ausprobieren ist durchweg spürbar. Hinter den, auf den ersten Blick recht schnell dekodierbaren Bildern, verbergen sich aufwändige und komplexe digitale Verfahren.

 

Bemerkenswert ist die Differenz von Fern- und Nahansicht seiner Werke. Scheinen Planetenknäuel in einem undefinierten Raum, und mit einer, bis mehreren Lichtquellen versehen, kosmisch zu schweben, nehmen wir bei naher Betrachtung wahr, dass der „Planet“ aus ineinander verstrickten Rolltreppen oder Treppen besteht, auf denen anonyme Einzelfiguren zu finden sind.

Gleiches gilt für jene Werke, die narrative Situationen beinhalten. So besteht „A Long Way Home“ (2018, „Ein langer Weg nach Hause“) aus Planfragmenten eines Fahrgeschäfts und einer horizontalen Linie, auf eine einsame winzige Person zu finden ist. Oder aus einem Gewirr von farbigen Linienbündeln – mit dem Werktitel „Swings“ (2021, „Schwingen“) – entpuppt sich bei näherer Ansicht schaukelnde Mädchen.

 

Auch seine Videoarbeiten sind voll künstlerischer Fantasie und ungewohnten Elementen versehen. Ob als Animation, als Videocollage mit räumlichen Brechungen oder virtueller Erzählung, Nowak vermag es mit uns auf Augenhöhe zu sein. Seine Kameraführung erinnert an selbstgemachte Handyvideos, die so nebenbei entstehen und eigentlich immer etwas Lapidares haben, selbst wenn es sich um merkwürdige Sichtungen handelt.

Mit „Myrinx“ (2018, „Trommelfell“) findet sich eine aufwändige und große Videoinstallation in der Ausstellung. Dieses für die Elbphilharmonie in Hamburg passgenau entworfene Werk, das einst auf der Medienwand im Eingangsbereich zu finden war, thematisiert in Umkehrung an die langanhaltenden Diskussionen, was das Publikum im großen Konzertsaal an Feinheiten zu hören bekommt, die Frage des Künstlers, was denn das Gebäude von seinem Publikum hört. Die Sammlung akustischer Geräusche im und am Bau wurde in einem aufwändigen Verfahren in an Landschaften erinnernde metallische bewegliche Oberflächen verwandelt.

 

Im Titel dieser Ausstellung findet sich ein Neologismus, der sich spielerisch mit Nowaks Inhalten auseinandersetzt. Er verschmilzt hierin zwei Begriffe: Verwirklichung und Wirklichkeit.

Verwirklichen: Im ursprünglichen Sinn heißt es Träume, Fantasien, Wünsche und Sehnsüchte umzusetzen – und dies für viele oder sogar alle Menschen. Später kam das „Sich-Selbst-Verwirklichen“ hinzu, was jedoch individualisiert und nur auf die eigene Person fokussiert wird.

 

Der Begriff Wirklichkeit wurde von Meister Eckhart (1260-1328), einem Theologen, Philosophen und Maler des Spätmittelalters als Übersetzung des lateinischen Wortes „actualitas" in die deutsche Sprache eingeführt. Wirklichkeit ist alles, was wirkt! 

Die Einmaligkeit von Wirklichkeit hat sich mit der Reproduzierbarkeit seit der Erfindung des Buchdrucks und heute mit der Digitalisierung der Welt deutlich verändert. Es gibt parallele virtuelle Wirkfelder, die näher an der Realität zu sein scheinen als die analoge Welt selbst. Dies gilt auch für Zukunftsvisionen – alles erscheint heutzutage möglich.

 

Nowak nutzt ein Stilmittel, den er den „Verwirklichkeitseffekt“ nennt – frei nach Berthold Brechts „Verfremdungseffekt“. Dieser besteht im Kern darin, dem Betrachter vertraute Dinge in einem neuen Licht erscheinen zu lassen und so Widersprüche in der Realität sichtbar zu machen und eine kritischere und bewusstere Wahrnehmung des Gezeigten zu ermöglichen.

 

Till Nowak arbeitet nicht nur erfolgreich als bildender Künstler, sondern auch als „World Creator“ (Weltenerschaffer) für große Filmproduktionen in Hollywood. Gegenseitige Inspiration aus Kunst und Film ist bei ihm durchaus Programm. Das Entwerfen von Zukunftsvisionen, zukünftigen Orten, Städten und Gebäuden, Raumschiffen und Inneneinrichtungen, für die er zahlreiche Auszeichnungen erhielt, sind in Kinoproduktionen wie u.a. „Black Panther“, „Der König der Löwen“, „Midnight Special“ zu sehen. Für „Ron’s Gone Wrong“ (Ron läuft schief) erhielt er im März 2022 einen der begehrten „Annie Awards“ der von der „International Animated Film Association“ in Hollywood für besondere Leistungen im Bereich Animation vergeben werden. Auch in seinen Musikvideos (für Deichkind, Katy Perry, Pjusk u.a.) lässt Nowak sich von seinen Kunstwerken für die Filmarbeit inspirieren.


Till Nowak: Verwirklichkeit

Zu sehen bis 11. Juni 2022 im

Kunsthaus Nexus, Am Postplatz 1, A-5760Saalfelden/Österreich

Öffnungszeiten: Do.-Sa. 17-20 Uhr sowie nach Anmeldung

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#nexsaa

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