Bildende Kunst
Detail aus Emil Maetzel: Das grüne Buch, 1955, Öl auf Holz, 70 x 50 cm

Vor 100 Jahren gehörten Emil Maetzel (1877-1955) und seine Frau Dorothea Maetzel-Johannsen (1886-1930) zu den zentralen Persönlichkeiten der Hamburger Kunstszene. Die Galerie Renate Kammer zeigt nun eine opulente Schau teils unbekannter Gemälde und Druckgraphiken aus dem Nachlass: „Lebenswelten – Dorothea Maetzel-Johannsen und Emil Maetzel, ein Künstlerpaar der Moderne“.


Hamburg ist wahrlich nicht mit Künstlerpaaren gesegnet. Umso erstaunlicher, dass dieses Paar, beide Mitbegründer der Hamburgischen Sezession, über Jahrzehnte hinweg in der Hansestadt schlichtweg ignoriert wurde. Erst eine Ausstellung in Stade 2017 und dann die vielbeachtete Kunsthallen-Ausstellung im vergangenen Jahr zum 100. Geburtstag der Hamburgischen Sezession rückte das einst so einflussreiche Künstlerpaar wieder ins Rampenlicht. Der Grund der jahrzehntelangen Ignoranz ist recht einfach zu erklären: Nach dem Zweien Weltkrieg galt figürliche Malerei und Druckgrafik als hoffnungslos rückwärtsgewandt. Abstraktion, Konzept, Minimal waren die angesagten Kunstrichtungen bis in die 1980er Jahre, darüber hinaus haftete der „Hamburgischen Sezession“ immer der Ruch an, lediglich ein Club von „Lokalgrößen“ zu sein. Wie falsch diese Einschätzung ist (die jahrelang auch durch den sogenannten „Hamburger Gang“ in der Hamburger Kunsthalle bestätigt schien) zeigte Karin Schicks mutige Hängung im vergangenen Jahr in ihrer spannenden Ausstellung am Glockengießerwall: Integriert in den Rundgang der Klassischen Moderne konnte man feststellen, dass die Hamburger Künstler durchaus neben „Weltmeistern“ wie Max Beckmann oder Karl Schmidt-Rottluff bestehen konnten. Dorothea Maetzel-Johannsens Gemälde „Zwei Akte mit Mondsichel“ von 1919 stellte sogar einen Kirchner in den Schatten.

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In der Galerie Renate Kammer sind nun weitgehend unbekannte Gemälde und Grafiken aus dem Nachlass zu sehen, die zeigen, wie intensiv sich das Künstlerpaar mit den avantgardistischen Kunstströmungen seiner Zeit auseinandergesetzt hat. Und das nicht nur mit dem Expressionismus, in dem ihre Hauptwerke verortet sind. Aus Dorotheas Zeichnungen und Gemälden lässt sich die intensive Auseinandersetzung mit Cézanne und Picassos Kubismus ablesen, beispielsweise in den bezaubernden „Alpenveilchen“ von 1919 oder den unterschiedlichen Fassungen der Pariser „Pont Neuf“ (1925). Gleichzeitig aber auch mit der Freilichtmalerei. Dorothea war diejenige von beiden, die sich der Natur in ganz besonderer Weise verbunden fühlte und ihre Suche nach Ruhe und Einsamkeit in Blumen- und Wald-Stillleben Ausdruck verlieh.

Auch Emil Maetzel hatte sich ganz offensichtlich nicht nur dem Expressionismus verschrieben, sondern vielfältige Einflüsse in sein Werk aufgenommen. Der Kubismus, die Konstruktion der Volumina, kamen dem erfolgreichen Architekten und Leiter der Städtebauabteilung der Hamburger Baudeputation, ohnehin entgegen. (Das Künstlerhaus, das er in Volksdorf für sich und seine Familie baute, ist das letzte noch erhaltene Gesamtkunstwerk der 1920er Jahre auf Hamburger Boden). Ebenso beschäftigte er sich – wie so viele Künstlerkollegen Anfang des 20. Jahrhunderts - intensiv mit afrikanischer Plastik, die er auch leidenschaftlich sammelte und immer wieder zum Gegensand seiner Bilder machte. Während Dorothea, die seit ihrer Kindheit an einem schwachen Herzen litt (und nach einer Operation mit nur 44 Jahren an Herzversagen starb) ein Werk schuf, das immer auch von einer gewissen Fragilität und Melancholie durchdrungen ist, strotzen die vorwiegend nach der Karriere als Architekt entstandenen Gemälde und Drucke ihres Mannes nur so von Kraft und Vitalität. Emil Maetzel blieb Zeit seines Lebens der Figur verhaftet, malte und zeichnete bis zu seinem Lebensende vor allem Kinder und Jugendliche, die ihn wohl auch an die eigenen vier Kinder, Ruth (1911-2002), Bogumil (1913-1989), Peter (1915-1940) und Monika (1917-2010) erinnerten. (Monika Maetzel war übrigens eine bekannte Keramikkünstlerin und Mitglied der Arbeitsgemeinschaft des Kunsthandwerks e.V. Hamburg).
Eines der schönsten Figurenbilder schuf Emil Maetzel in seinem letzten Lebensjahr, 1955: Zwei junge Frauen bei der „Haarwäsche“ – die zweifellos von Picassos klassizistischen Prachtweibern um 1920 inspiriert sind.


„Lebenswelten – Dorothea Maetzel-Johannsen und Emil Maetzel, das Künstlerpaar der Moderne“

Die Ausstellung läuft noch bis Ende Juni
in der Galerie Renate Kammer, Münzplatz 11, 20097 Hamburg.
Geöffnet: Di-Do 12 bis 18 Uhr und nach Vereinbarung unter +4940459427 und Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Sehr empfehlenswert ist auch der Katalog mit einem Text von Rüdiger Joppien.
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