Architektur
igs John Langley Foto: Isabelle Hofmann

Der Countdown läuft und jeder Mitarbeiter der internationalen Gartenschau, kurz „igs" genannt, zählt mittlerweile die Tage und Stunden bis zur Eröffnung. Wer es nicht tut, dem zeigt die digitale Uhr im igs-Zentrum, wie rasch die Zeit verrinnt:
Eben noch bedeckten Schnee und Eis das rund 100 Hektar große Ausstellungsareal, das sich in Hamburg-Wilhelmsburgs Mitte rund um das IBA-Gelände erstreckt, nun stecken bereits Tulpen, Narzissen, Krokusse und Kaiserkronen ihre Köpfe aus der Erde. Und endlich können auch die 200.000 vorgezogenen Frühblüher gepflanzt werden.
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Schon komisch, dieser Anblick: Da drängeln sich rund ein Dutzend Medienvertreter mit Mikros und Kameras  in einem vielleicht 200 Quadratmeter großem Beet vor ein paar Stiefmütterchen, als ob sie Lady Gaga und George Clooney vor der Nase hätten. Dabei könnte man die hübschen bunten Blümchen derzeit in jedem Baumarkt fotografieren. Aber weil dieser Winter einfach nicht vorbeigehen wollte, wurde das um Wochen verspätete „Anpflanzen“ auf der igs zum medialen Ereignis. Nachdem schon ein paar lokale Zeitungen vom großen „Bibbern um die Gartenschau“ berichteten, wollen jetzt natürlich alle wissen, was so kurz vor der Eröffnung auf dem Gelände los ist. Hektik? Panik? Sonderschichten? Sonderschichten ja, aber von Hektik und Panik keine Spur. Zwar gleicht die Anlage noch einer riesigen Baustelle und als vorzeitiger Besucher muss man all seine Phantasie bemühen, um zwischen den vielen Baggern, LKWs, Schubkarren, Sperrgittern und aufgetürmten Erdhaufen „Sieben Welten, sieben Wunder“ zu entdecken. Ganz zu schweigen von den 80 Gärten, in denen man ab dem 26. April durch die unterschiedlichen Kulturen, Klima- und Vegetationszonen dieser Erde spazieren kann. Doch die Fachleute sehen in den Bauarbeiten lediglich „kleine Schönheitskorrekturen“, wie John Langley sagt.

Der Hamburger igs-Botschafter mit britischen Wurzeln, der nicht nur den sprichwörtlichen „grünen Daumen“ hat, sondern mit Hut, Nickelbrille und weißem Rauschebart auch noch aussieht wie ein englischer Bilderbuch-Gärtner, kann über die Aufregung wegen Schnee und Eis nur lächeln. „Zu 90 Prozent ist die igs bereits im vergangenen Jahr fertig gestellt worden“. Langley steuert eine 5.000 Quadratmeter große Blumenhalle an, in der Renate Behrmann, die igs-Ausstellungsbevollmächtigte, über die Fortschritte der hier entstehenden Insellandschaft wacht. In den kommenden Monaten werden in der Halle 25 Wechselausstellungen stattfinden, erzählt Renate Behrmann und die Vorfreude darauf ist ihr anzumerken. „Wir sind alle optimistisch“. Und natürlich laufe auch alles nach Plan, auch wenn bislang nur Betonplatten und Erde auszumachen sind. „Sehen Sie“, sagt John Langley als wir weiterziehen lächelnd, „hier ist noch keiner verzweifelt“. Warum auch? Die Bauten stehen und auch die meisten Pflanzen sind längst in der Erde: „Seit 2008 wird gepflanzt. Bäume, Sträucher, Stauden. Auch 8.000 Beet-, Strauch- und Edelrosen für den Rosenboulevard. Im Herbst sind noch Birken dazugekommen. Warten Sie mal ab, bis hier der Rollrasen liegt.“ Langley zeigt auf die kahlen schwarzen Flächen zwischen Skaterbahn und Kletter-Parcours, an denen unser Rundgang vorbeiführt: „In einer Nacht wandelt sich das Bild vollkommen“.

Mitunter braucht es nicht einmal eine Nacht. Die Rosen, die eben noch von einer dicken Schicht Tannenzweigen abgedeckt waren, liegen nach zwei Stunden Rundgang schon frei. Und nun stehen auch schon Bänke am Wegesrand, soeben aufgestellt von einer der 70 Gartenbaufirmen, die auf dem Areal mit insgesamt bis zu 800 Mann im Einsatz sind. Was Wunder, dass sich der Gesamteindruck im Minutentakt verändert.

Am Kuckucksteich, in der „Welt der Kulturen“, treffen wir Landschaftsplanerin Ingrid Gock und  Gärtner Thomas Schlotfeldt mit dessen Team, die gerade eine Lieferung von Hornveilchen, Goldlack, Purpurglöckchen, Ranunkeln und Wolfsmilchgewächsen begutachten. Insgesamt 7000 Pflanzen für ein 360 Quadratmeter großes Beet. Stress? Ach, winkt Ingrid Gock ab, in den vergangenen Wochen hätte sie noch gut schlafen können. „Gegen die Natur kann man eh nichts machen“, brummt Thomas Schlotfeldt, seit 38 Jahren Landschaftsgärtner und ein alter Hase im Geschäft. „Tee trinken und Ruhe bewahren“, lautet seine Devise.

Die meisten igs-Mitarbeiter haben Gartenschauerfahrungen mitgebracht. Auch Ingrid Gock war schon 2009 in Schwerin und 2006 bei der Landesgartenschau in Winsen-Luhe dabei. Doch in den vergangenen Tagen, gibt sie zu, viel es das Abwarten zusehends schwer. „Allmählich wurde es eng. Deshalb muss es jetzt auch zügig voran gehen. Die Pflanzen stehen zum Teil schon seit zwei Wochen in einem Zwischenlager bereit, dadurch wird die Qualität ja nicht besser.“ Die Diplom-Ingenieurin ist derzeit „permanent vor Ort“ Â und schaut, dass alles nach ihren Plänen umgesetzt wird. Gock ist gleichsam eine der Regisseurinnen der igs. Sie setzt das Blumen-Bild in Szene, das sie zuvor am Schreibtisch komponiert hat. In diesem Fall ein fließendes Ornament aus roten und grünen Spiralen. Ihre Kollegin Petra Pelz hat sich am anderen Ende der igs derweil für geometrisch-strenge Kompositionen entschieden. Ein Beet soll in kühlen Farben leuchten, in Violett, Flieder und Rosé. Ein anderes in warmem Apricot, Crème und Orange. „Ich habe bei dem Farbkonzept an Patchwork gedacht“, sagt Pelz. „Das Beet soll wie ein Quilt aussehen“. Der Kontakt der Kollegen untereinander sei sehr gut, erzählt die Landschaftsplanerin. Man kenne sich und sei auch miteinander befreundet. Wie Ingrid Gock geht auch sie davon aus, das die Pflanzen, wenn es warm ist, „ganz schnell austreiben. Wenn das Wetter so bleibt, wird es in zwei Wochen auch ein schönes flächiges Bild ergeben“. Momentan sehen die Beete allerdings noch aus, als wollten Kinder hier „Himmel und Erde“ spielen: Sie sind in farbig-umrandete Felder unterteilt, die mit Buchstaben und Ziffern versehen sind. Auf diese Weise wird die Zeichnung auf dem Papier in ein maßstabsgetreues Blumenbild umgesetzt. Â

Für Gärtner und Landschaftsplaner stehen bis zur Eröffnung nun Abendschichten an. „Der Notplan ist angelaufen, so Thomas Schlotfeldt. „Wir arbeiten, solange es hell ist. Aber das schaffen wir schon. Alle ziehen mit, wir halten zusammen“.

Im vergangenen Jahr haben Schlotfeldt und sein Team bereits 17.000 Quadratmeter Rasensatz rund um den Kuckucksteich ausgebracht, dazu 40.000 Schilfpflanzen und 40.000 Stauden. Wahnsinns-Zahlen - und doch nur ein Bruchteil der insgesamt 170.000 Stauden und 2.000 neuer Bäume, die nach der Hamburger Gartenschau als Park bestehen bleiben. Die Beete, die Ingrid Gock und Petra Pelz betreuen, gehören dagegen zu den sogenannten Wechselflorflächen, die von Ausstellern aus der ganzen Bundesrepublik bespielt werden. Bis zur Eröffnung gilt es, insgesamt 11.000 Quadratmeter Beete mit 200.000 Frühlingsblumen zu bepflanzen. Bei dem Tempo, das die Gärtner derzeit vorlegen, werden sie es zweifellos schaffen. Für Ingrid Gock war jedenfalls klar: „Die 7.000 Pflanzen sind bis morgen in der Erde“.

Internationale Gartenschau Hamburg IGS

vom 26.4. bis 13.10.2013, Am Inselpark 1, 21109 Hamburg


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