Film
Ein leichtes Mädchen

„Ich pfeif auf die Liebe", erklärt die 22jährige Sofia (Zahia Dehar) und stilisiert sich aus Überzeugung zum Objekt der Begierde. Für den Puritanismus der angelsächsischen #MeToo Bewegung verspürt Regisseurin Rebecca Zlotowsk wenig Sympathie, Selbstverwirklichung funktioniert bei ihr anders. Die Französin inszeniert die hinreißende Coming-of-Age-Fabel als unmoralische Sommerromanze: poetisch, sinnlich, und doch fest in der Realität verankert.
„Ein leichtes Mädchen” hat etwas Verführerisches, Flirrendes, steckt voller Verlockungen, auch wenn der Film von Macht, Ausbeutung und Abhängigkeiten erzählt. Was bleibt, ist die Sehnsucht nach Freiheit, die gesellschaftlichen Schranken zu durchbrechen oder zumindest für einen Moment zu unterlaufen. In wundervollen sonnendurchfluteten Bildern entsteht ein fein gesponnenes Netz aus Blicken, Berührungen und sanfter Ironie.

 
Bildende Kunst
Kunst gegen Gewalt-die kolumbianische Kuenstlerin Doris Salcedo in der Kunsthalle St Annen

Eine „der bedeutendsten Künstlerinnen des 21. Jahrhunderts“ – Kurator Oliver Zybok lehnte sich ziemlich weit aus dem Fenster, als er die kolumbianische Künstlerin Doris Salcedo anpries, die in diesem September den erstmals verliehenen internationalen Kunstpreis der Possehl-Stiftung bekommt und in der Kunsthalle St. Annen Lübeck mit einer großzügigen Werkschau vorgestellt wird.

 
Theater - Tanz
40 Jahre Theater Zeppelin, 30 Jahre Theaterschule, 15 Jahre Hoheluftschiff – Und was jetzt? Auf zu neuen Ufern

Ist das ein Schwan oder ein Pelikan? Jedenfalls eines dieser menschengroßen, phantasievoll aus Draht und Stoffen zusammengebastelten Wassertiere, die Stephanie Grau, Leiterin des Theaters Zeppelin von befreundeten Theatermachern aus Hannover ausgeliehen hat für das Jubiläum ihres Theaters.

 
Architektur

Was hat Rheinschwimmen mit Kunst und Lifestyle zu tun

Dieser Frage nachzugehen lohnt sich, denn Schwimmen gehört in Basel zur Alltagskultur – aber nicht nur dort, sondern an vielen weiteren Orten in der Schweiz!
Basel hat seinen Rhein, Zürich seine Limmat und Sihl, Genf seine Rhône und Arve und Bern seine wildere Aare! Überall geht man dort im Fluss baden, ob zu besonderen Anlässen, nach Feierabend oder als Treffpunkt für gemeinsame Aktionen. Das hat dort Tradition.

 
Kunsthandwerk, Grafik & Design
Ein Mekka der angewandten Kunst 40 Jahre Galerie Hilde Leiss

Sie ist eine Hamburger Institution – mit internationaler Strahlkraft. Hilde Leiss hat am Großen Burstah 38 ein Mekka angewandter Kunst geschaffen, das in seiner inspirierenden Atmosphäre wohl einmalig ist.
Am 12. September feiert die renommierte Goldschmiedin und Galeristin ihr Berufsjubiläum mit einer exorbitanten Schau von über 20 Künstler*innen: 40 Jahre Galerie Hilde Leiss.

 
Film
Synonymes Film

Nadav Lapid inszeniert „Synonymes”, den wahnwitzigen Selbstfindungstrip eines israelischen Ex-Soldaten, als fulminante politische Farce von ungebändigter Kraft: Obszön, provokant, hyperintelligent, ästhetisch virtuos, verstörend in der Tradition von Jean-Luc Godard.
Der in Tel Aviv geborene Regisseur spielt Klischees gekonnt gegeneinander aus, konzentriert die Kamera ganz auf die Empfindungen seines Protagonisten, ignoriert genau wie er die Pracht der französischen Metropole. Dieses surreale, grausam-komische Film-Puzzle wird polarisieren: Juden mit Heugabeln machen Jagd auf Nazis mit Schäferhunden, und die Marseillaise entpuppt sich blutrünstiger als erwartet.

 
Kultur, Geschichte & Management
150 Jahre Hamburger Kunsthalle Historische Postkarte Foto Christoph Irrgang

Die Hamburger Kunsthalle feiert ihren 150. Geburtstag kommendes Wochenende (31.8./1.9.2019) mit einem „Fest für uns alle“ bei freiem Eintritt, sowie vier neuen Ausstellungen.
„Ein Bürgerhaus, tief verankert in der Stadtgesellschaft“. So charakterisiert Hamburgs Kultursenator Carsten Brosda die Hamburger Kunsthalle. Auch für ihn ist dieses Jubiläum ein ganz besonderes. Zum Ersten, weil der neue Direktor Alexander Klar (er leitete zuvor das Museum Wiesbaden) spürbar frischen Wind in dieses „demokratische Haus“ bringt und sich darauf freut, es künftig auch für andere Künste zu öffnen. Zum Zweiten, weil rund tausend ausgestellte Werke ab sofort online über die Website verfügbar sind. Und zum Dritten, weil die Entstehungsgeschichte der Hamburger Kunsthalle so besonders ist.

 
Festivals, Medien & TV
Internationales Sommerfestival 2019 auf Kampnagel Rimini Protokoll

Mit der Rekordbilanz von insgesamt 35.000 Besucher*innen ist das Internationale Sommerfestival auf Kampnagel vergangenen Sonntag zu Ende gegangen.
Unter den vielen ausgezeichneten Tanz- und Theateraufführungen der zweiten Halbzeit hat vor allem das Ensemble Rimini Protokoll bleibenden Eindruck hinterlassen, das dem ungläubig-staunendem Publikum den Stand der Technik humanoider Roboter vor Augen führte. Wer das Programmheft nicht studiert hatte, rätselte bis zum Schluss, ob hier nun ein Mensch Maschine spielt, oder tatsächlich die Maschine das Original – in diesem Fall den Autor Thomas Melle – ersetzt.

 
Festivals, Medien & TV
Sex sells? Auch im Postfeminismus kein Scherz. Das Internationale Sommerfestival auf Kampnagel setzte auf hybride Theaterformen

Da schweben zwei riesige Phallusballons auf die Zuschauerinnen und Zuschauer zu, die sich um die drei Laufstege und auf den Rängen vor der Bühne versammelt haben. In eines der aufgeblasenen rosa Gebilde krabbelt auf allen vieren eine halbnackte Frau hinein. ‚Peaches‘ singt, nein brüllt dazu ihren Song „Dick in the Air“.
Mit dem hat die Electroclash-Perfomerin schon im Februar das Stuttgarter Staatsschauspiel im Brecht/Weill-Ballett „Die sieben Todsünden“ aufgeheizt. Den Choreographen und Tänzer Louis Sties hat sie von dort gleich mitgebracht – als fettig glänzenden Adonis. Zwei barbusige Tänzerinnen mit überdimensionalen Vulva–Masken auf dem Kopf werfen sich konvulsivisch zuckend vor die Sängerin, die sich wie schon öfter mit vielen Brüsten ausstattet, und mimen einen Geschlechtsakt. Die Trapezkünstlerin ‚Empress Stah‘ hat sich einen Laserpointer in die Vagina geschoben, so sieht es von unten zumindest aus, und beleuchtet turnend das faszinierte Publikum aus dem Bühnenhimmel mit neonschrillen Strahlen. Die ganze Halle dampft und rockt in Schummerlicht und Bühnennebel.

 
Literatur
„Es ist alles eitel“ – eine Luebecker Ausstellung ueber Literatur im Zeichen des Krieges

„Gestern wird sein, was morgen gewesen ist“: so beginnt der Roman „Das Treffen in Telgte“, mit dem Günter Grass 1979 an die Gründung der Gruppe 47 erinnert hat.
Wie es dieser erste Satz ausdrückt, geht es in der Erzählung um die Geschichte, und zwar in einem doppelten Sinne. Gemeint ist eigentlich die Geschichte der deutschen Literatur nach 1945, die von Hans Werner Richter und seiner Gruppe 47 stark beeinflusst wurde, aber erzählt wird ein fiktives Dichtertreffen am Ende des Dreißigjährigen Krieges.