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Musik

Isabelle Hofmann (IH): So wie Loriot mit seinen urkomischen Sketchen die Befindlichkeiten der deutschen Seele charakterisiert, erzählen Sie in Ihren Songs humorvoll, oft auch mit leiser Melancholie, von Alltagsbanalitäten – von Beziehungskonflikten und Männernöten, von Jungs mit Oberlippenbart, nörgelnden Schwiegermüttern und dem Verbot, sonnabends die Sportschau zu sehen. Fühlen Sie sich von Ihrer Freundin artgerecht gehalten?

Roger Cicero (RC): Auf jeden Fall, sonst würde unsere Beziehung nicht funktionieren. Bei mir geht es nur nicht um die Sportschau und den Hobbyraum, sondern um meine Musik und die Möglichkeit zum Beispiel, jetzt so lange auf Tournee zu gehen. Einschränkungen würden mir da gar nicht gut bekommen.

IH: Auf Ihrer Homepage steht, wie sehr sich Ihre Einstellung zum Leben verändert hat, seitdem Sie Familienvater sind.

RC: Klar, man ist in vielen Sachen wie ausgewechselt. Auf ein Mal ist man ständig um jemanden besorgt und will ihn beschützen. Ich dachte, dieses Elternsein wird sich entwickeln, aber es ist so, als ob ein Schalter umgelegt wird. Das fand ich am Erstaunlichsten.
Früher war ich ganz rigoros. Musik war mein Ding. Das ist immer noch so, aber jetzt ist etwas hinzugekommen, was mindestens ebenso wichtig ist, wenn nicht noch wichtiger. Wenn ich heute Nachrichten gucke und vom Leid dieser Welt erfahre, habe ich sofort einen Bezug dazu und denke, oh Gott, wenn Louis das passieren würde. Das nimmt mich jetzt alles sehr viel mehr mit.

IH: Dennoch lassen Sie Ihre Familie für Tourneen wochenlang allein.

RC: Ich bin in der Tat dann tagelang nicht zu Hause. Dass ist auch nicht so leicht. Das Reisen finde ich an meinem Beruf eigentlich das Anstrengendste. Wenn ich auf Tournee bin, ist das ein völlig anderes Leben. Da sind immer viele Leute um mich herum und alle sind bemüht, dass alles angenehm ist. Für alles ist jemand zuständig.

IH: Zu Hause heißt es dafür: Bring den Müll raus und zieh die Schuh aus?

RC: Zu Hause wechsle ich die Windeln und bringe auch den Müll raus. Ja, klar, das gehört dazu.

IH: Sie haben Ihren Sohn nach einem buddhistischen Ritual von einem Lama segnen lassen…

RC: Ich wollte ihn nicht taufen lassen, weil es keine Religion gibt, bei der ich sagen würde, das unterschreibe ich. Es gibt zu viele Aspekte in jeder Religion, die ich sonderbar finde. Ein Ritual zum Willkommen auf dieser Welt finde ich jedoch sehr schön. Ich bin definitiv ein spiritueller Mensch.

IH: Deshalb auch die Beschäftigung mit Yoga?

RC: Ich betreibe Poweryoga. Mit Versenkung hat das nicht so viel zu tun. Das ist Sport, sehr schweißtreibend. Man baut Kraft auf, gewinnt Flexibilität. Die perfekte Mischung, den Körper in die Balance zu bringen.

IH: Sie haben Louis auch schon ein Lied gewidmet: „Für `nen Kerl“, der letzte Song Ihrer CD „Artgerecht“.

RC: Ja, ich hätte nie gedacht, dass ich mal so auf `nen Kerl stehen würde. Das ist tatsächlich so. Von diesem Satz hat sich Frank inspirieren lassen und den Text geschrieben. Ich habe das Lied komponiert.

IH: Sie arbeiten sehr eng mit einem Team von Co-Autoren zusammen, sind also in den Entstehungsprozess aller Texte involviert.

RC: Monate bevor wir überhaupt an die ersten Studiotage denken können, tauschen wir unsere Themen aus und versuchen Geschichten um sie herum zu spinnen.

IH: Texten oder komponieren Sie zuerst?

RC: Das geht Hand in Hand. Ich finde es wichtig, dass sich die Texte immer so anhören, als ob man sie spricht. Wenn jemand auf Deutsch singt, möchte ich das auch verstehen. Das ist das Anspruchsvolle an meiner Art Musik, denn die deutsche Sprache lässt sich nicht so wahnsinnig verbiegen wie zum Beispiel Englisch. Da muss man schon eher die Musik verbiegen.

IH: Sie sagten mal, man solle im Hier und Jetzt leben, aber Ihr Jazz-Stil, der Swing, weckt Erinnerungen an längst vergangene Zeiten, an Count Basie und Frank Sinatra…

RC: Musik ist für mich etwas total Zeitloses. Wenn ich meine Count-Basie-Scheibe auflege, nehme ich sie nicht wahr als etwas Verstaubtes. Man muss sie nicht abpusten, ehe man sie auflegt. Das ist für mich Musik im Hier und Jetzt. Wenn ich Musik höre, ist es mir völlig wurscht, ob sie aus den 20er, 40er Jahren oder von 2010 ist. Wer denkt, ein bestimmter Musik-Stil hat sich erledigt, ist nicht mehr in Mode, der hat den falschen Beruf. So kann vielleicht ein Kaufmann denken, aber künstlerisch gesehen ist das total absurd.

IH: Obwohl ihr Vater, Eugen Cicero, ein berühmter Jazz-Pianist war und Sie mit ihm bereits als Teenager auftraten, verlief Ihre Karriere alles andere als gradlinig. Sie sind jahrelang durch die Kneipen getingelt und haben sich so richtig von unten hochgearbeitet. Das ist ungewöhnlich…

RC: Ja, ich weiß auch nicht. Die ganzen Türen, die mir damals geöffnet wurden, habe ich sabotiert durch mein Verhalten. Ich fand es immer suspekt, dass sich so viele Bekannte meines Vaters für mich interessiert haben. Ich fand es auch nicht sehr vertrauenswürdig, wie diese Leute auf mich zugetreten sind. Deshalb bin ich zum Studium nach Holland gegangen. Dort war ich ganz auf mich selbst gestellt. Das hat mir geholfen, mich zu positionieren. Als ich dann nach Deutschland zurückkam, musste ich mich sehr umsehen und jeden Job annehmen, um zu überleben.

IH: Ihr Vater wollte ja eigentlich, dass Sie Jura studieren…

RC: Ach, das war nur mal ein Spruch. Er hat mir ja das Musikstudium finanziert. Er wusste, glaube ich, dass es für mich nie eine Alternative gab. Es gab tatsächlich nie ein Sicherheitsnetz. Nach dem Studium habe ich mir schon teilweise Sorgen gemacht, wovon ich leben kann. Aber ich hatte einfach keine andere Idee.

IH: Was, wenn Ihr Sohn mal in Ihre Fußstapfen treten will?

RC: Na, ja. Ich würde schon überprüfen, wie ernst es ihm ist. Wenn ich das Gefühl hätte, es geht ihm einfach nur ums Berühmtsein, würde ich intervenieren.

IH: Was spricht gegen den Wunsch berühmt zu sein?

RC: Wenn keine Liebe zum Beruf dahinter steht, halte ich das für eine sehr wackelige Angelegenheit. Heute gibt es ja den Beruf „Berühmtsein“. Da werden Leute beim Wohnen gefilmt und werden berühmt, nur weil sie wohnen. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Das gab es früher auch noch nicht. Ich würde meinem Sohn wünschen, dass er seine Leidenschaft entdeckt und dann den Mut aufbringt, sie auch zu leben.

IH: Sie selbst waren 2006 ja ein echter Shootingstar. 2005 sangen Sie noch auf privaten Geburtstagspartys und dann – was ist eigentlich passiert?

RC: Das war wirklich irre. Im Mai 2006 kam das Album „Männersachen“ raus und zwei Tage später hatten wir den Fernsehauftritt in der Sat1-Show „Nur die Liebe zählt“. Dann ging es echt ab. In den Trend-Charts lagen wir sofort auf Platz 22, „Zieh die Schuh aus“ wurde im Radio gespielt.

IH: Swing mit deutschen Texten, dazu noch so herrlich ironischen, gab es vorher ja auch nicht. Außerdem klingen die Songs total authentisch. Frau nimmt Ihnen jedes Wort ab…

RC: Das versuche ich ja auch so rüberzubringen.

IH: Sie schildern in Ihren Songs ja einige deprimierende Erlebnisse. Hätten Sie auf einige Erfahrungen in Ihrem Leben gerne verzichtet?

RC: Nein, ich möchte keine Erfahrung zurückgeben. Letzten Endes sind wir doch das, was wir sind, aufgrund unserer Erfahrungen. Deshalb möchte ich auch die unangenehmen Erfahrungen nicht missen. Wer keine Rückschläge hinnehmen muss, wem alles gelingt, der wird irgendwann unausstehlich.

IH: Also keine Angst, dass der Ruhm mal zu Kopf steigt…

RC: Nee, ich bin doch noch sehr auf dem Boden geblieben. Ich weiß immer noch ganz genau, wo ich herkomme. Wo ich vorher war. Wie sich das angefühlt hat. Das werde ich auch nie vergessen. Die Erfahrungen von früher wiegen viel schwerer als die neuen, die ich jetzt kennenlernen durfte. Mir ist auch klar, dass es nicht immer so weitergeht. Obwohl ich natürlich alles dafür tue, weil es mir sehr großen Spaß bringt. Aber selbst wenn alles aufhören sollte, bin ich sehr zuversichtlich, dass ich weiter ein glückliches Leben führen werde.

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