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Nichtsdestotrotz ist das Album, das bereits vor einem Jahr in Dänemark auf den Markt kam, ein Genuss. Gerade für jene, die den Sound der halbdunklen Bars Nordamerikas und Nordeuropas lieben. Skandinavien hat Jazz-musikalisch viel und gutes zu bieten. Die Nähe zu den USA zeigt sich nicht nur auf der CD, sondern auch daran, dass seit den 1950er-Jahren so einige US-amerikanische Musiker in Dänemark leben dort arbeiten und die Szene bis heute gegenseitig beeinflussen, Stan Getz, Ben Webster, Idrees Sulieman, Marylin Mazur und Kristin Korb beispielsweise. New York, Paris, Kopenhagen war in den 1960er- und 70er-Jahre eine bedeutsame Bewegungsrichtung im europäischen Jazz.

Auch als junger Musiker darf man selbstverständlich den Klang lieben, der sich seit fast einhundert Jahren frisch gehalten hat. Ein wenig Bigband, ein wenig Modernismus, ein wenig klassische Nostalgie und nicht zu vergessen dieser besondere Swing-Sound, mit besonderem Timbre und Vibe, der Emotionen kreiert. Wichtig ist es, von den großen Vorbildern so weit entfernt zu sein, dass deren Schatten nicht zu übermächtig werden. Die Entfernung ist bei „Europa“ und Snorre Kirk ausreichend eingehalten, um davon sprechen zu können, dass das Sextett es geschafft hat, einen durchaus eigenen, intelligenten „Forward-Retro-Sound“ entwickelt zu haben. Jeder einzelne Musiker hat viel zu bieten, die Lässigkeit und Selbstverständlichkeit der einzelnen Stücke zeugt von viel gemeinsamer Arbeit, Erfahrung und Entwicklung.

Snorre Kirk Europa CoverAlle acht Stücke auf „Europa“ kreieren in erster Linie Erinnerungen aus der Vergangenheit, mehr als sie zeitgenössische Vorstellungen konstituieren. Mit den Titeln „Coco“, „Art Noveau“ und „St. German-des-Prés“ sind Orte, Stimmungen und Zeiten in Paris verknüpft. Insofern ist „zeitlos“ – das Wort, das in den Ankündigungen zur Deutschland-Veröffentlichung der CD Ende Mai zum Album mehrfach auftaucht – nicht überzeugend. Nimmt man vielmehr den Begriff der „Moderne“ ernst, dann sind wir im richtigen Stilgenre. Demnach ist die musikalische Moderne gekennzeichnet durch ein Nebeneinander von Altbewährtem und Neuem – durch eine Koexistenz, was besonders für das 20. Jahrhundert anwendbar wäre.
Die Kompositionen des mehrfach preisgekrönten dänischen Newcomers sind eine Mischung aus Tradition, Jazz-Romantik und Duke Ellington-Sound. Anspruchsvoll, temperamentvoll, mit der notwenigen eleganten Sparsamkeit, ohne Schnörkel, so dass keine Note zu viel die Klarheit stören könnte. Vielleicht ist dies zumindest ein weiteres europäisches Element des Albums: auf die in den USA oft zu hörende und mittlerweile inflationär stilisierte, fast barocke Verzierung, wird verzichtet.

Musikalisch nachvollziehbar ist „Europa“ des Snorre Kirks Quintets allenthalben, aber der Europa-Begriff oder die Vorstellung davon ist historisch, teilweise amerikanisch geprägt und insofern obsolet.

Snorre Kirk: Europa
Tobias Wiklund (cornet), Jan harbeck (tenor sax), Oilly Wallace (alt sax), Lasse Mörck (bass), Magnus Hjorth (piano), Snorre Kirk (drums)
Label: Calibrated / Danish Music & Entertainment
EAN: 5706725101446

Tracklist:
1. Europa
2. Unsentimental
3. Coco
4. Art Noveau
5. Yesteryear
6. Varsity
7. St. Germain-des-Prés
8. New Traditional

Hörprobe
YouTube-Video:
Snorre Kirk: Europa


Abbildungsweis:
Header: PR Foto DME

CD-Cover

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