Cäsar Pinnau studiert Ende der 1920er-Jahre zunächst Innenarchitektur und Architektur an der Kunstgewerbeschule in Berlin, anschließend an der Staatlichen Hochschule für Angewandte Kunst in München. Nach dem Studium arbeitet der 24-jährige für das Architekturbüro Fritz August Breuhaus de Groot in Düsseldorf und später in Berlin. Für eine exklusive Klientel aus Wirtschaft und Politik entwirft er Möbel, Inneneinrichtungen, Schiffsausstattungen und Villen. Mit Breuhaus gestaltet er Mitte der Dreißiger die Fahrgasträume des Zeppelin-Luftschiffs LZ 129 Hindenburg mit modernen Stahlrohrmöbeln im Bauhaus-Stil.
In Berlin wird Albert Speer, Freund und Lieblingsarchitekt Adolf Hitlers, auf den talentierten jungen Mann aufmerksam. Auf Anraten Speers eröffnet Cäsar Pinnau 1937 ein eigenes Büro in der Reichshauptstadt und erhält zahlreiche Staatsaufträge: Die Renovierung des ehemaligen Reichspräsidenten-Palais für den Staatsbesuch Mussolinis, die Gestaltung einiger Innenräume in der von Speer errichteten Neuen Reichskanzlei und der von Ludwig Moshamer erbauten Japanischen Botschaft. Für das von Speer konzipierte Projekt „Große Straße" an der Berliner Nord-Süd-Achse entwirft er Pläne für Regierungs- und Theaterbauten, einen Gebäudekomplex mit Hotels, Thermen und Ladengeschäften im Stil des Neoklassizismus, dem Stilempfinden der damaligen NS-Architektur für Repräsentationsbauten. 1940 erhält er eine Professur an der Hochschule für bildende Künste Berlin. Drei Jahre später bildet Albert Speer – in Erwartung des „Endsieges“ – den „Arbeitsstab für den Wiederaufbau bombengeschädigter Städte", der noch während des Krieges städtebauliche Planungen für die zerstörten Städte koordinieren soll. Pinnau wird Berater und Referent für Bremen und Wilhelmshaven.
Für die Hansestadt Hamburg zeichnet übrigens der Architekt Konstanty Gutschow verantwortlich. Mit seinen Plänen einer Hafenerweiterung, der neuen Elb-Hochbrücke im Stil der Golden Gate Bridge in San Francisco sowie dem gigantischen Bau einer sogenannten „Führerstadt" mit einem 250 Meter hohen „Gauhaus" und einer „Volkshalle" für 50.000 Besucher am Altonaer Elbufer hat er sich bei Adolf Hitler profiliert. Ab 1939 trägt Gutschow den Titel „Architekt des Elbufers".
Nach Kriegsende geht Cäsar Pinnau nach Hamburg zurück und gründet hier ein Architekturbüro. Da er aufgrund seiner Tätigkeit für das NS-Regime keine öffentlichen Aufträge erhält, nimmt er seine alten Verbindungen zu Hamburger Reedern wieder auf. Für die zur Oetker-Gruppe gehörende Reederei Hamburg-Süd entwickelt er Mitte der 1950er-Jahre eine Serie von Stückgutfrachtern, die sogenannte „Cap-San-Klasse“. Diese Schiffe, wegen ihrer eleganten Form auch als „Die weißen Schwäne des Südatlantiks" bezeichnet, fahren die Route von Hamburg nach Südamerika. Sie können bis zu zwölf Passagiere mitnehmen, die von klimatisierten Kabinen, einem eigenen Passagierdeck mit Lounge und separatem Speisesaal bis zum Außenschwimmbad mit Poolbar eine angenehme Überfahrt genießen können. Die Cap San Diego, 1961 als letztes Schiff dieser Serie fertig gestellt, liegt heute als Museumsschiff an der Überseebrücke im Hamburger Hafen.
Anfang 1950 lässt der griechische Tankerkönig Aristoteles Onassis eine alte kanadische Fregatte nach den Plänen Cäsar Pinnaus bei den Kieler Howaldtswerken zu einer Luxusyacht umbauen: die „Christina" mit 99 Meter Länge, Bar und Spielsalons, Gesellschaftsräumen, Gästekabinen, Marmor verkleideten Bädern und goldenen Wasserhähnen, einem Sonnendeck mit versenkbarem Swimmingpool, Hubschrauberlandeplatz und luxuriösem Interieur.
Die Freundschaft mit Onassis katapultiert Pinnau in die internationale High Society. Er avanciert zum Stararchitekten der Reichen und Schönen. So baut er unter anderem für Stavros Niarchos die Segeljacht „Creole" und die Motoryacht „Atlantis", für Onassis den 52 Stockwerke hohen „Olympic Tower" an der Fifth Avenue in New York, für König Faruk von Ägypten die Villa „San Michele" auf Capri oder für Scheich Abdullah al Salim einen Palast in der Wüste von Kuwait. Pinnau renoviert Rudolf August Oetkers exklusive Hotelanlagen: Brenner's Park Hotel in Baden-Baden, Grand Hotel du Cap in Antibes und das Grand Hotel „Le Bristol" in Paris.
Rudolf August Oetker ist es auch, der Cäsar Pinnau mit dem Bau der Verwaltungsgebäude der Reederei Hamburg-Süd und der Condor-Versicherung an der Ost-West-Straße, heute Willy-Brandt-Straße, beauftragt. Zwischen 1958 bis 1959 errichtet, gehört das Hochhaus zu den ersten Bürohäusern Deutschlands und gilt als Beispiel moderner Wiederaufbau-Architektur in Hamburg. Auf einer Reise mit seinem Bauherren Oetker lernt Pinnau amerikanische Wolkenkratzer kennen. Nahezu stilrein übernimmt er für das „Hamburg-Süd“-Hochhaus die Gestaltungsprinzipien amerikanischer Prototypen: Stahlbetonskelett-Bauweise, Vorhangfassade und Aluminiumprofile orientieren sich am New Yorker Seagram Building von Mies van der Rohe und dem New Yorker Lever House, Gordon Bunshaft.
Am Nikolaifleet erhebt sich das auf Stützen ruhende dreizehngeschossige Hochhaus für die Reederei. Zur Fleetseite durchstößt ein zweigeschossiger, länglicher Quertrakt das aufgestützte Haus und leitet über zum sechsgeschossigen Trakt der Condor-Versicherung, der an die Traufhöhe und Bauflucht eines erhaltenen Speicher- und Kontorhauses am Hopfenmarkt anschließt. Alle Außenflächen erhalten eine einheitliche nichttragende Glasfassade (Curtain walls) aus grünem Katakolorglas in Aluminiumprofilen in Doppel-T-Form, welche die Oberfläche der kubischen Baukörper gliedern. Querstreifen aus dunklerem Opakglas signalisieren die horizontalen Geschossdecken zwischen den voll verglasten Bürogeschossen. Das Hamburger Büroensemble, seit Juli 2011 in die Denkmalliste eingetragen, wird zur Zeit von der Reederei Hamburg-Süd modernisiert und mit einem Neubau erweitert.
Neben Verwaltungsgebäuden, baut Cäsar Pinnau in Hamburg zahlreiche Nobelvillen an der Elbchaussee, am Feenteich und der Außenalster, die sich an den Villenbauten eines Andrea Palladio oder den klassizistischen Villen Karl Friedrich Schinkels orientieren. Sein Interesse gilt aber auch der Erhaltung historischer Bauten. So restauriert er Oetkers Landhaus Godeffroy „In de Bost" in Blankenese nach den alten Bauplänen des englischen Architekten Arthur Patrick Mee von 1836/37.
1972 erwirbt Pinnau ein baufälliges Gebäude an der Palmaille 116 in Hamburg-Altona. Errichtet von dem königlich dänischen Architekten Christian Friedrich Hansen, der das Haus von 1804 bis 1818 bewohnt hat, lässt Pinnau das im klassizistischen Stil errichtete Haus renovieren: die Fassade und die mehrfach umgebauten Innenräume restauriert er nach den im Kopenhagener Staatsarchiv aufbewahrten Originalplänen. Bis zu seinem Tod im November 1988 hat Pinnau hier sein Architekturbüro.
Quasi als Liebeserklärung an seine Frau Ruth, eine promovierte Kunsthistorikerin, errichtet er 1986 im Baurs Park in Blankenese eine schneeweiße achteckige Villa, deren Architekturdetails an die toskanischen Landhausvillen Palladios erinnern. Nach Pinnaus Tod lebt die Grande Dame der Hamburger Gesellschaft noch 22 Jahre alleine in dem Domizil mit dem herrlichen Blick auf den Hamburger Hafen und die Elbe. Als Hommage an ihren Mann schreibt sie zahlreiche Bücher, die Pinnaus Leistungen als Architekt würdigen und ihm ein literarisches Denkmal setzen. Sie stirbt 2010 im Alter von 85 Jahren.
Trotz aller Bemühungen seiner Witwe, trotz seines vielfältigen und umfangreichen architektonischen Gesamtwerks ist Cäsar Pinnau in der Öffentlichkeit weitgehend unbekannt. Überraschend ist die Ablehnung, mit der Pinnau in der Hansestadt ignoriert wird. Eine öffentliche Anerkennung, insbesondere die seiner Heimatstadt Hamburg, bleibt ihm bis heute versagt. Liegt das an seiner politischen Vergangenheit während der NS-Zeit? An seinen elitären, zur Geldaristokratie gehörenden Auftraggebern? Oder an seinem Baustil, der hin und her pendelt zwischen Modernität und dem Eklektizismus historischer Bauelemente oder gar an seinem glamourösen Lebensstil?
Annäherungen an Cäsar Pinnau (1906-1988). Person und Werk in kritischer Analyse
Im Rahmen des Architektursommers 2015 veranstaltet das Altonaer Museum in Kooperation mit der Hamburgischen Architektenkammer vom 28. bis 30. Mai 2015 das Symposium.Einzelheiten und Anmeldung zum Symposium
Im Juni erscheint das Buch von Ulrich Höhns: Zwischen Avantgarde und Salon. Cäsar Pinnau 1906 - 1988. Architektur aus Hamburg für die Mächtigen der Welt, Hg. von Hartmut Frank und Ullrich Schwarz, Schriftenreihe des Hamburgischen Architekturarchivs Band 31, Dölling und Galitz Verlag, Euro 49,90.
Abbildungsnachweis:
Header: Museumsschiff Cap San Diego, gebaut 1961, im Hamburger Hafen. Foto: Lothar Braun
Galerie:
01. Cäsar Pinnau; Innenausstattung für das Luftschiff L.Z. 129 “Hindenburg”, Halle und Steuerbordpromenade. Hamburgisches Architekturarchiv, Bestand Cäsar Pinnau
02. Cäsar Pinnau. Entwurfszeichnung für München, Dez. 1928. Hamburgisches Architekturarchiv, Bestand Cäsar Pinnau
03. Reichskanzlei Berlin, Innausstattung. Hamburgisches Architekturarchiv, Nachlass Cäsar Pinnau, M. Müller & Sohn, 1939
04. Cäsar Pinnau; Entwurfszeichnung für Haus Pinnau Flottbeker Chaussee 241, 1950/51, Hamburgisches Architekturarchiv
04. Haus Pinnau Flottbeker Chaussee 241, später Elbchaussee 245, Hamburgisches Architekturarchiv, Bestand Cäsar Pinnau
06. Cäsar Pinnau; Cap San Marco, Reederei Hamburg Süd. Fotograf: unbekannt, um 1959
07. Cäsar Pinnau; Entwurf einer Motoryacht für den Sheikh von Kuweit, 1961, Schauzeichnung, Hamburgisches Architekturarchiv
08. v.l..n.r.: Ruth Pinnau, Cäsar Pinnau, Aristoteles Onassis. Foto: privat. Quelle TU Dresden.
09. Verwaltungsgebäude der Reederei Hamburg Süd aus dem Jahr 1965. Foto Wikipedia, KMJ CC
10. Cäsar Pinnau Entwurf Olympic Tower, Fifth Avenue, New York 1970-71, Project B, Elevation 5th Avenue, Hamburgisches Architekturarchiv, Bestand Cäsar Pinnau
11. Olympic Tower an der 5th Ave. in New York, nach den Plänen von Cäsar Pinnau, 1972-1975. Hamburgisches Architekturarchiv. Foto: Bo Parker
12. Privathaus der Pinnaus im Baurspark 3, Hamburg. Foto: Hamburgisches Architeklturarchiv
13. Architeturbüro Pinnau in der Palmaille 116 in Hamburg-Altona. Foto: Ruth Pinnau. Quelle: Storck Verlag
14. Cäsar Pinnau in seinem Privathaus. Foto: Ruth Pinnau.
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